Brett vorm Kopf: Was graue Männer in grauen Zentralen nicht kapieren

Brett vorm Kopf

Brett vorm Kopf: Was graue Männer in grauen Zentralen nicht kapieren

„Gut und schön, ihr sagt ‚macht, was ihr liebt‘ und so, aber …“ Wenn wir einen solchen Satzanfang und dieses „Aber“ hören, dann wissen wir schon, wie der Satz weitergeht. Denn so beginnt der übliche Einwand – in fast jedem Interview, in fast jeder Diskussion. Was dann folgt, zeigt deutlich, wieviele Menschen täglich mit einem Brett vorm Kopf durch die Welt gehen.

Die sogenannten “einfachen” Tätigkeiten

Und so geht der Satz dann meistens weiter: „… aber die Verkäuferin an der Kasse, die Putzfrau, der Kellner oder der Postbote … wie bitteschön soll das, was ihr sagt, für diese Leute funktionieren?“

So nach dem Motto: Die „einfachen“ Tätigkeiten müssen ja auch gemacht werden und diese „einfachen“ Arbeiter müssen halt ihre Pflicht erfüllen. Nix mit Sinn. Nix mit Bedeutung. Nix mit Erfüllung. Nix mit Freude. Pflicht eben!

DAS REGT UNS AUF! Wir empfinden die dahinter steckende Haltung als eine unglaubliche Arroganz. Denn damit wird unterstellt, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen Spaß bei der Arbeit haben dürften – und andere nicht. Dass manche Berufe eben sinnvoll sind – und andere nicht. Dass manche Jobs bedeutungsvoll sein können – und andere nicht.

Und wer entscheidet das? Der „Beurteiler“ – oder derjenige, der den Job ausübt?

Helmut Becker – Musterbeispiel für Hingabe 

Nehmen wir Helmut Becker, der war Paketbote im Büttelborner Ortsteil Worfelden im Rhein-Main-Gebiet. Fast dreißig Jahre lang trug er dort Pakete aus. Der Punkt ist: Helmut Becker hat seine Arbeit so geliebt, dass die Worfeldener gar nicht anders konnten, als ihn ins Herz zu schließen: „Absolut integer“, sagt der Pfarrer, „fast ein Familienmitglied“. Jeder kannte und mochte ihn, jeder freute sich, wenn er die Pakete brachte, ihm wurden Hausschlüssel anvertraut und persönliche Dinge erzählt. Und er half, wo er konnte.

Dann beschlossen graue Herren in irgendeiner grauen Unternehmenszentrale per „Management von oben herab“, ihn im Rahmen irgendeiner Optimierungsinitiative gegen seinen Willen in einen anderen Bezirk zu versetzen. Doch die Bevölkerung wehrte sich. Die Kunden demonstrierten in Kundgebungen vor dem Rathaus mit Plakaten und skandierten „Wir wollen Helmut behalten!“ Jeder zweite Einwohner von Worfelden unterschrieb eine Bittschrift an die Firmenzentrale, von der Versetzung Abstand zu nehmen. Jeder zweite!

Als Becker Anfang August bei seinen letzten Fahrten durch die Stadt fuhr, wurde er mit Applaus, rhythmischem Klatschen und „Helmut“-Rufen begleitet. Er bekam Geschenke, Umarmungen und es gab viele Tränen.

„Ihr werdet mir fehlen. Was soll ich nur ohne euch machen“, sagte ein tieftrauriger Helmut. Auf sein Auto hatte er einen großen Aufkleber angebracht: „Mein Herz für Worfelden. Es war schön bei Euch, danke.“

Der Kommentar dazu aus der Unternehmenszentrale: „Es ist schlicht nicht möglich, jedem Zusteller lebenslang einen eigenen Zustellbezirk zu garantieren.“ – Brett vorm Kopf lässt grüßen … Lassen wir das einfach mal so stehen, denn da erübrigt sich jedes weitere Wort.

Lieber als über diesen Erlass der grauen Herren ‚da oben’ schreiben wir über Helmut Becker, denn er verkörpert exakt das, was wir meinen, wenn wir „macht, was ihr liebt“ schreiben und sagen. Das ist es, was wir mit „bedeutsamen Tätigkeiten“ und „Funkeln in den Augen“ meinen. Das ist es, was wirklich zählt bei der Arbeit. Und das geht eben als Paketbote genauso wie als Arzt, Dirigent, Architekt, Pilot oder Bundespräsident!

Und noch etwas: Es gibt tausende Helmuts, überall und in allen Branchen und Berufen!

So vermeidet ihr euer eigenes Brett vorm Kopf

Drei Dinge sind für uns bei dieser Geschichte wichtig:

– Hört erstens bitte mit der Anmaßung auf, Berufe nach „sinnvoll und kann Freude machen“ oder „nicht sinnvoll und ist reine Pflichterfüllung“ einzuteilen!

– Wer zweitens vor diesem Hintergrund sich täglich von morgens bis abends bemühen muss, seine Pflicht zu erfüllen, der macht mit hoher Wahrscheinlichkeit schlicht den falschen Job. Und sollte sich etwas Neues überlegen!

– Und drittens, an alle Unternehmer und Führungskräfte: Wenn ihr einen Mitarbeiter habt, der seinen Job mit Hingabe macht – dann lasst ihn um Himmels Willen in Ruhe arbeiten! Gebt ihm Freiheit, Geld und Sicherheit!

UND DANKT IHM TÄGLICH!

Alle Blogbeiträge »

Werde Teil der Community mit >100.000 Menschen:
Backstage-Report Newsletter | Instagram | YouTube | Linkedin Anja | Linkedin Peter