Das “Next” – Geschäftsideen gegen die Langeweile

Grant Achatz Alinea Next

Das “Next” – Geschäftsideen gegen die Langeweile

„Müde Märkte“ oder „schlaffe Nachfrage“ – Grant Achatz weiß nicht, was das sein soll. – Egal, was der Sternekoch anpackt, seine Kreationen sind Kundenmagnete. Das „Alinea“ in Chicago ist nicht nur permanent ausgebucht, es gehört auch zu den sieben besten Restaurants der Welt. Und das obwohl Achatz so gut wie nichts mehr schmecken kann!

2007 wurde bei ihm Zungenkrebs diagnostiziert. Mit der Gesundheit war auch der Geschmackssinn weg – und damit die Geschäftsgrundlage. Sollte man meinen … Jeder andere hätte an seiner Stelle die Karriere an den Nagel gehängt. Ein Koch ohne Geschmacksinn ist wie ein Pianist ohne Gehör! Das gilt aber nicht für Grant Achatz.

An dem Tag, an dem der Krebs festgestellt wurde, saß Achatz abends mit seinem Geschäftspartner Nick Kokonas zusammen und kochte Muscheln.

„What’s next?“, fragte Achatz.

„Wir könnten ein französisches Restaurant eröffnen!“, sagte Kokonas.

Achatz hob die Augenbrauen. „Ja, aber nach sechs Monaten wäre uns langweilig.“

Also müsste das Restaurant anders werden, eben nicht langweilig. Das war die Geburtsstunde des „Next“…

Im konventionelleren „Alinea“ sind drei Menschen damit beschäftigt, Anrufe von Leuten entgegenzunehmen, die gerne einen Tisch reservieren möchten. In den allermeisten Fällen müssen sie den Kunden sagen: „Samstagabend? Tut uns leid, wir sind ausgebucht.“ Irgendetwas stimmt nicht an diesem Geschäftskonzept, haben Achatz und Kokonas gedacht.

Deshalb machen sie es beim „Next“ nun anders:
„All fine dining is like theatre to a certain extent“, sagen die Gründer. Deshalb kann man im „Next“ keine Tische reservieren. Man kauft – wie für eine Theatervorstellung – seine Karte im Voraus. Und kommt zur angegebenen Uhrzeit an dem angegebenen Tag zur Show. Fünf-Gänge-Menü, Getränke, Service – alles ist im Ticket inklusive. Und wie bei Musicals, Sport-Events oder Flügen, die man im Voraus bucht, sind auch im „Next“ die Ticket-Preise variabel. An einem Tag wie Mittwoch um 21:30 ist im „Next“ die gleiche Mahlzeit preiswerter als an einem Samstag um 20.00. Und ausverkauft ist ausverkauft.

Dabei ist das Preisniveau unschlagbar. Das Ziel der beiden Querdenker: Vier-Sterne-Essen zu Drei-Sterne-Preisen anzubieten. Mit Menü-Fixpreisen zwischen 40 und 75 Dollar und eine Getränkepauschale für Wein und weitere Getränke für zwei ab 25 Dollar. Damit zieht das „Next“ auch ganz normale Leute an, die statt ins Kino, ins Theater oder ins Musical nun eben in die Essens-Show ins „Next“ pilgern.

Doch das ist nicht alles. Damit es Achatz und Kokonas nicht so schnell langweilig wird, wird die Speisekarte im „Next“ immer wieder neu inszeniert. Paris Anfang des 20. Jahrhunderts, Hong Kong im Jahr 2036, das Sizilien des Jahres 1949 oder Cajun 1977 – alle drei Monate ändert sich das Menü, und damit auch die Erlebnisreise der Gäste.

Eindeutiger in der Botschaft hätte das Konzept nicht sein können: Als sie sich die Frage nach der nächsten Herausforderung gestellt haben, hatten Achatz und Kokonas nicht das hundertfünfzigste Feinschmecker-Restaurant im Sinn. Sie suchten keinen Remix ihres bisherigen Erfolges, kein lukratives Aufwärmen alter Gerichte. Sondern Neuland. Entdeckung. Kulturwechsel.

Das „Next“ spielt nicht im Feld der Nahrungsaufnahme. Mit den ungewöhnlichen Food-Inszenierungen steht das Lokal Theatern, Showbühnen und Konzertanbietern deutlich näher als der Gastronomie. Achatz und Kokonas haben das Restaurantbusiness von Grund auf überdacht – und gehen mit ihren Themenmenüs völlig neue Wege. Das ist für sie weit mehr als nur eine kreative Übung. Oder eine kluge Marketing-Idee. Es ist eine Lebenshaltung. Es ist Freude an der Exploration.

Und die Kunden belohnen das. Für das Eröffnungsmenü gab es beispielsweise über 20.000 Kartenwünsche.

Schlaffe Märkte? Müde Nachfrage? Gibt‘s gar nicht! Was es aber noch viel zu oft gibt, sind mutlose Menschen, die sich unreflektiert das zu eigen machen, was andere für möglich halten.

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