Ein paar tausend Handys leuchten wie Sterne überm offenen Meer. Das Klavier spielt sparsam, Westernhagen singt leise: „Freiheit.“ – Umso intensiver ist die Stimmung. Gänsehaut. Die Halle singt feierlich mit: „Freiheit. Freiheit. Ist das einzige, was zählt.“
Freiheit VON heißt immer auch Freiheit ZU etwas
Peter war auch da, beim Westernhagen-Konzert in Mannheim in der SAP-Arena. Auch er konnte sich der Dramatik des Augenblicks nicht entziehen, als 6000 Menschen von der „Freiheit“ sangen. Ja, Freiheit, das ist ein tiefer, alter, starker Antrieb des Menschen. Das geht ans Herz. Wir alle wünschen uns mehr davon. Selbstverständlich.
Und viele, die da mitsangen, wünschen sich Freiheit VON etwas. Freiheit von einengenden Zwängen, Freiheit von autoritärer Bevormundung, Freiheit von bohrenden Ängsten, Freiheit von finanziellen Sorgen, Freiheit von starren Regeln, Freiheit von mächtiger Willkür, Freiheit von erdrückenden Hierarchien, Freiheit von lästigen Pflichten, Freiheit von ständiger Kontrolle …
Doch Freiheit, das ist nicht nur Freiheit VON etwas. Es gibt immer auch einen zweiten Aspekt, der aber in unserem alltäglichen Bewusstsein eine viel kleinere Rolle spielt, als ob wir uns davor fürchten: Freiheit ZU etwas.
Die Konsequenzen der Selbstbestimmung
Wenn wir Freiheit VON Zwängen, Bevormundung, Regeln, Willkür, Hierarchien und Kontrolle fordern, dann müssen wir auch die Freiheit ZUR Verantwortung anerkennen. Dann müssen wir auch unsere Eigenverantwortung beim Handeln übernehmen. Dann müssen wir auch die Konsequenzen unseres selbstbestimmten Arbeitens akzeptieren.
Aber gerade mit der Freiheit ZU Selbstverantwortung ist das so eine Sache. Zuerst klingt es ganz toll. Aber in dem Moment, in dem wir Selbstverantwortung für unser Leben, für unsere Arbeit, für unsere Karriere übernehmen, passiert etwas Unangenehmes: Ich kann nicht mehr den Finger ausstrecken und auf einen anderen zeigen: „Mein Chef wollte das so.“, „Ich habe doch nur meinen Job gemacht.“, „Da konnte ich leider nichts machen.“, „So sind eben die Vorgaben.“. „Da kann ich doch nichts dafür.“ – Nein, Freiheit ZU bedeutet, selbst Verantwortung zu übernehmen – im Positiven wie auch im Negativen, auch für das, was wir nur übernommen und nicht selbst verursacht haben.
Freiheit ZU bedeutet mit Blick auf mein Leben, herauszufinden, wozu mein Leben eigentlich da ist, welche Aufgaben für mich bedeutsam sind und wann und wie ich ihnen nachgehen sollte. Da ist kein Chef, kein Professor, keine Eltern, kein Meister, kein Lehrer, kein Partner, der diese Fragen für mich beantwortet!
Freiheit leben und Verantwortung tragen
Von Freiheit zu singen, Freiheit zu fordern, für Freiheit zu kämpfen, das ist schön und das ist aller Ehren wert. Aber noch mehr Respekt haben wir für Menschen, die FREIHEIT LEBEN! Und das bedeutet, den Teppich der Ausreden unter sich wegzuziehen. Das bedeutet, nicht nur gegen etwas zu sein, sondern für etwas einzustehen, und zwar mit allen Konsequenzen.
Beispielsweise wenn wir feststellen, dass wir die Prioritäten, die von außen an uns herangetragen werden, eigentlich gar nicht teilen. Und wir wissen selbst sehr genau: Es zählt zu den unangenehmen Erfahrungen im Leben, festzustellen, für Zwecke benutzt zu werden, die eigentlich nicht die eigenen sind.
Freiheit VON, die wir alle lieben und schätzen, geht nie ohne Freiheit ZU, die wir – fälschlicherweise – oft fürchten.
Verantwortung ist kein süßes Wort. Aber sie ist der Preis der Freiheit!