
Die drei wichtigsten Momente der Wahrheit für Chefs
Wenn es gut läuft, kann jeder Chef glänzen: Das sind die Hochglanzmomente und Schulterklopfsituationen.
Aber ganz unter uns: Es ist völlig egal, was ein Chef sagt, wenn es super läuft. Ob ein Chef ein Guter ist oder nicht, erkennt man nur daran, wie er sich verhält, wenn die Dinge nicht besonders gut laufen. Oder sogar komplett schiefgehen. Das sind die Momente der Wahrheit. Und genau dann schauen die Mitarbeiter auf ihren Chef:
Erstens: Wenn ein wichtiger Kunde abspringt
Das Team hat alles gegeben, aber das Projekt ist trotzdem geplatzt, der Kunde ist weg. Alle sind enttäuscht. Und natürlich rechnet jeder damit, dass auch der Chef enttäuscht ist. Jetzt kommt es darauf an, wie er sich verhält.
Sucht er einen Schuldigen im Team? Macht er den „schwierigen Kunden“ dafür verantwortlich? Schiebt er den Schlamassel auf den Wettbewerb oder die Umstände? Egal wer den Schwarzen Peter bekommt, die Suche nach dem Schuldigen ist auf jeden Fall rückwärtsgewandt, ein Hadern mit dem bereits Geschehenen, eine Rechtfertigung des Misserfolgs. Und egal ob der Chef mit seiner Analyse recht hat oder nicht: Es zieht alle runter.
Wie ein Chef in einer solchen Situation seine Führungsqualitäten zeigt, wusste Napoleon Bonaparte:
„Un dirigeant est un négociant d’espoir.“
Das schaffen wir nicht so gut zu übersetzen, dass es ebenso elegant klingt wie im Original. Sinngemäß: „Ein Anführer ist jemand, der Hoffnung gibt.“ – Und darum geht es in einem Moment der Wahrheit: Wie schnell bekommt der Chef die Kurve und wendet sich der Zukunft zu? Wie schnell beendet er das Jammern und Hadern? Wie schnell vereinigt er die Mitarbeiter und schwört sie auf ein neues Ziel ein? Kann er den Mitarbeitern nach der Niederlage neue Hoffnung geben?
Zweitens: Wenn ein Mitarbeiter gekündigt wird
Selbstverständlich fühlt sich keiner wohl, wenn eine Kündigung ausgesprochen wird. Eine Kündigung ist in jedem Fall eine schlechte Nachricht. Alle schauen und hören genau hin, auf welche Weise diese schlechte Nachricht überbracht wird.
Delegiert der Chef die unangenehme Aufgabe? Gelingt es ihm, die Kuh von Eis zu bekommen, ohne dass es dabei zu Kränkungen kommt? Läuft die Sache fair und wertschätzend ab? Oder wird hinterher schmutzige Wäsche gewaschen?
Wie so ein Trennungsprozess verläuft, sagt mehr über die Unternehmenskultur als jede Hochglanzbroschüre und jede Festtagsrede. Entweder die Trennung kostet Kraft und hinterlässt eine Narbe im kollektiven Bewusstsein oder sie schenkt den Mitarbeitern sogar neues Selbstvertrauen. Wenn der Chef den Moment der Wahrheit besteht, lässt er dem Gekündigten in jedem Fall seine Würde. Er erkennt: Eine Beziehung endet nie – sie ändert nur ihre Form! (Darüber haben wir schon einmal etwas geschrieben, weil wir den Gedanken so wichtig finden: HIER)
Drittens: Wenn der Chef einen Fehler gemacht hat
Was passiert, wenn der Chef etwas gesagt hat, das er lieber nicht hätte sagen sollen? Wenn er Mist gebaut hat? Wenn er sich in einem Meeting blöd verhalten hat? Wenn er einen Mitarbeiter oder einen Kunden oder einen Lieferanten brüskiert hat?
Natürlich passieren solche Sachen. Chefs sind keine Superhelden – und die Mitarbeiter wissen das. Kein Mensch verlangt vom Chef Perfektion. Im Gegenteil: Es ist menschlich, auch mal einen Fehler zu machen.
Die Frage ist nur: Steht der Chef zu seinem Fehler und übernimmt er die Verantwortung dafür?
In einer solchen Situation achten alle darauf, ob der Chef versucht, die unangenehme Sache unter den Teppich zu kehren. Oder ob er den Fehler als Gelegenheit für alle (inklusive ihm selbst) betrachtet, etwas daraus zu lernen.
Das sind drei Momente der Wahrheit – solche Augenblicke prägen die Kultur eines Unternehmens. Was in diesen Momenten passiert, ist erstmal weder gut noch schlecht. Es ist die innere Einstellung, die Persönlichkeit, die Haltung und das Bewusstsein des Chefs, die etwas daraus machen – zum Guten oder zum Schlechten.