
„Wenn ich meinen Mund nicht geöffnet hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier“, steht auf dem Pappschild neben dem frischen Zander, der auf einem Eisbett in der Auslage eines Fischhändlers in Sarrebourg liegt. Wir müssen schmunzeln als wir das sehen und gleichzeitig bringt es uns auf der Heimfahrt gründlich zum Nachdenken.
Fragen können Türen öffnen
Wir haben einen Beruf, der uns wahnsinnig viel Freude macht. Er verlangt von uns vor allem eine Fähigkeit: sprechen. Und das tun wir mit Leidenschaft. Aber andererseits gilt eben auch: Ab und an ist es angebracht, einfach mal die Klappe zu halten.
Warum? Weil derjenige, der ständig die Welt erklärt, der die Lösungen kennt, der allen sagt, wie es gemacht werden muss, dazu neigt, fertige Antworten zu geben. Aber Antworten verschließen Türen. Wohingegen Fragen Türen öffnen. Und offene Türen stellen Verbindungen her zwischen Menschen.
Deswegen ist es in vielen Fällen weitaus klüger, vielleicht nur eine Richtung vorzugeben oder ein Ziel zu definieren oder eine gute Frage in den Raum zu werfen – aber dann zurückzutreten, still zu sein und zu warten, was passiert. Auch wenn es schwer fällt! Denn meistens passiert dann jede Menge.
Hier solltet ihr die Klappe halten
Wichtig ist das vor allem bei zwei häufigen Gelegenheiten: beim Delegieren von Aufgaben und bei Meetings.
Wir kennen das doch alle: Wenn wir eine Aufgabe delegieren, ist die Versuchung irre groß, gleich noch eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Arbeitsanleitung hinterherzuschieben, vor allem wenn der Kollege fragt: „Wie soll ich das machen?“ Dann kommt blitzschnell: „Mach das so und so. Denk dran, dass dies und jenes. Aber pass auf, dass nicht blablabla.“
Ja, kann man so machen. Ist aber toxisch für die Selbstverantwortung derjenigen, die die Aufgabe übernehmen. Außerdem entsteht so niemals etwas Neues, denn wer Vorgaben befolgt, probiert nichts aus. Es gibt ja scheinbar schon den „richtigen“ Weg für diese Aufgabe. Aber stimmt das wirklich?
Wenn ihr das nächste Mal gefragt werdet: „Wie soll ich …?“, dann antwortet doch einfach mal mit einer Gegenfrage: „Wie würden Sie es machen?“, „Was ist Ihr Vorschlag?“ oder sagt schlicht: „Ich weiß es nicht.“ Und dann schweigt …
Auch in Meetings ist die Versuchung groß, zu reden, zu reden und zu reden, um den eigenen Standpunkt zu erläutern, um zu überzeugen oder auch um etwas durchzudrücken. Aber wieviel erfahrt ihr, während ihr redet?
Lasst euch überraschen
Was würde passieren, wenn ihr im Meeting die Einfach-mal-die-Klappe-halten-Methode praktizieren würdet? Zuhören? Schauen, in welche Richtung es läuft? Verstehen? – Vielleicht kommt als Ergebnis ja genau das heraus, was ihr auch wolltet, ganz ohne eure Intervention? Oder vielleicht hat plötzlich jemand einen genialen Vorschlag, der sonst üblicherweise nicht zu Wort kommt? Überlegt mal, wie es wäre, wenn ihr einfach nur ab und zu eine weiterführende Frage in den Raum stellen würdet. Ohne die Antwort gleich selbst zu geben!
Einfach mal die Klappe halten ist immer dann besonders wirksam, wenn ihr die Person mit der höchsten formalen Macht im Raum seid.
Denn Fragensteller sind Weichensteller.