
Einmal im Quartal herrscht Ausnahmezustand. Dann knistert es in den Büros des australischen Software-Unternehmens Atlassian nur so vor neuen Ideen.
Für Atlassian ist das vierteljährliche Ideenlabor eine Art Überlebensstrategie. Das kleine Software-Unternehmen kämpft um die gleichen Kunden wie der Branchenriese Microsoft. Die beiden Gründer Scott Farquhar und Mike Cannon-Brookes fragten sich deswegen: Was müssen wir tun, damit unsere Software-Entwickler über ihr aktuelles Projekt hinaus denken? Woher kommen die Neuerungen, mit denen wir morgen den Markt revolutionieren?
Sie schielten – ein wenig neidisch – auf Googles 70-20-10-Regel. 70 Prozent der Arbeitszeit gehen auf das Konto der regulären Tätigkeit, 20 Prozent dürfen die Entwickler mit dem Tüfteln an Ideen zubringen, die das Kerngeschäft deutlich erweitern. Und die restlichen 10 Prozent sind für ausgefallene Ideen reserviert.
24 Stunden tüfteln
Genial! Allerdings: Für ein mittelständisches Unternehmen wie Atlassian wäre das eine verdammt hohe Investition. Also fingen sie kleiner an: Mit einem einzigen Pilot-Tag. Die Ergebnisse, die 24 Stunden später bei Pizza und Bier präsentiert wurden, waren so gut, dass daraus inzwischen ein fester Bestandteil der Firmenkultur geworden ist.
Das Erfolgsrezept braucht zwei Ingredienzen: Freiraum und einige Grundregeln.
Die Entwickler legen an vier Donnerstagen im Jahr für 24 Stunden ihre eigentliche Arbeit beiseite, um zu tüfteln. Allein oder in Gruppen arbeiten sie dann an den Ideen und Problemlösungen, die sie selbst für die besten halten. Einzige Bedingung: Die Idee muss neu sein und außerhalb des Tagesgeschäfts liegen. Und: So wie FedEx die Pakete über Nacht zustellt, müssen auch die Mitarbeiter bis zum nächsten Tag abliefern: Freitags um 16:00 Uhr ist FedEx-Day! Keine grobe Idee, keine vagen Pläne, sondern kleine Prototypen, die dann den Kollegen vorgestellt werden. Die besten Ideen werden gleich im Anschluss ausgewählt.
Mittlerweile posten die Mitarbeiter ihre Tüfteltag-Ideen sogar vorab in eine Online-Datenbank, holen sich Feedback ein und fangen an, auch außerhalb der FedEx-Tage zu kooperieren. Zu den so entwickelten Prototypen zählen Problemlösungen für bestehende Software, aber auch völlig neue Anwendungen, die direkt in den Verkauf gingen. „Einige der coolsten Dinge, die wir heute in unserer Software haben, sind in den FedEx-Tagen entstanden“, sagen die Ingenieure.
Kultur der permanenten Innovation
Die Erfahrung von Atlassian zeigt: Ein bisschen Freiraum und ein paar sinnvolle Regeln können eine Explosion an Ideen freisetzen. Damit steigt nicht nur die Leistungsbereitschaft und der Spaß an der Arbeit. Es entsteht auch eine Kultur der permanenten Innovation.
Ideenwettbewerbe, Verbesserungsvorschlagssysteme oder andere konventionelle Methoden sind im Vergleich dazu reichlich ineffektiv. Denn eine in Aussicht gestellte Belohnung löst nicht automatisch eine kreative Supernova aus – schon gar nicht, wenn man als Mitarbeiter dafür Extrazeit investieren muss.
Der Gedanke „Ich tue das, weil ICH es cool finde“ – und zwar während der Arbeitszeit und mit dem OK meines Chefs – kann aber Menschen sehr wohl zu Höchstleistungen motivieren. Schließlich sehnt sich jeder danach selbst zu entscheiden, WAS er tut, WANN er es tut, WIE und MIT WEM.