
Future-back Thinking: Wie man die Zukunft heute gestalten kann
Die Zukunft ist ein großer dunkler Raum. Wir wissen nicht, wie die COVID-19-Pandemie ausgehen wird. Wir wissen nur, dass sich vieles ändert. Vorhersagen zu machen, wäre völlig sinnlos. Nicht sinnlos aber ist es, nach vorn zu schauen! Also den Blick nicht nur auf die Krise selbst zu richten – sondern ihn auch auf den Horizont zu richten: Wie können wir gerade JETZT die Zukunft gestalten?
Rückwärts aus der Zukunft: Future-back Thinking
In unserem neuen Buch “Vergeude keine Krise!” schreiben wir über den britischen Premierminister Winston Churchill, der mit Krisen reichlich Erfahrung hatte. Ihn zeichnete aus, dass er mitten im 2. Weltkrieg nicht nur auf die unmittelbaren Bedrohungen durch Nazideutschland mutig reagierte, sondern dass er selbst in den dunkelsten Stunden auch über den Horizont hinausblickte. Er hatte einen Nordstern: Er ließ sich von einer Vision einer besseren Zukunft leiten – und damit wiederum führte er seine Landsleute.
Eine Vision einer besseren Zukunft – das ist das Stichwort. Unsere Überzeugung: Wir müssen JETZT damit beginnen, uns auf diese Zukunft vorzubereiten, obwohl wir sie noch nicht kennen. Dazu brauchen Organisationen eine Vision dessen, wo, wie und was sie in fünf oder zehn Jahren sein wollen – sie brauchen einen Nordstern, der die kurz- und mittelfristigen Überlegungen ausrichtet.
Wenn wir vom Nordstern reden, meinen wir ausdrücklich nicht die operativen Fragen, die auf Effizienz ausgerichtet sind: Wie können wir es schneller, billiger, besser machen, wo können wir sparen? Sondern die große strategische Frage: Wer wollen wir in Zukunft sein?
Vom Meister des Future-back Thinking
Genau diese strategische Frage stellte Steve Jobs Anfang 2000 seinen hundert Top-Führungskräften. Jobs war 1997 als Übergangschef zu Apple zurückgekehrt. Damals war das wichtigste Produkt von Apple der iMac, der sich zu einem Bestseller entwickelte. Aber es war eben ein Personal Computer. Er war zwar am oberen Ende des Marktes angesiedelt, aber dennoch hatte auch Apple mit dem generellen Preisverfall im PC-Markt zu kämpfen. PCs waren eben im Jahr 2000 nichts Besonderes mehr. Jeder, der einen wollte, hatte einen.
Der Zeitpunkt, als Jobs seinen Führungskräften diese Frage stellte, war denkbar herausfordernd. Die Dotcom-Blase war Anfang 2000 geplatzt und inmitten der Krise sagte Jobs zu seinen Leuten: Lasst uns zehn Jahre in die Zukunft schauen! Lasst euch nicht von den Pessimisten beeindrucken, die sagen, dass der Personal Computer keine Zukunft hat und dass Apple immer nur ein unbedeutender Nischenplayer sein wird!
Das Ergebnis war eine extrem mutige und innovative Entwicklung: die Digital Hub Strategy, die Jobs am 9. Januar 2001 auf der MacWorld vorstellte. Er erklärte, dass der Mac nicht mehr und nicht weniger als „der digitale Hub für den digitalen Lebensstil“ werden würde. Jobs sah einen aufkommenden digitalen Trend, der durch das Internet und eine explosionsartige Zunahme von digitalen Geräten angetrieben wurde: Digitalkameras, Videokameras, tragbare Musikabspielgeräte, PDAs und DVD-Videoplayer. Der Mac – so die Kernidee – könnte als das Verbindungsstück dienen, das all diese unterschiedlichen Geräte steuert und integriert. Das war der Fahrplan für die kommenden zehn Jahre und das Fundament für Apples unglaublichen Erfolg in den Jahren danach.
Ja, ja, wir können schon sehen, wie ihr mit den Augen rollt: Steve Jobs! Das war ja auch ein Jahrhundertgenie, eine Ausnahmeerscheinung. So visionär können wir ja gar nicht sein … Aber darum geht es uns ja gar nicht. Der Punkt ist: Die Leute von Apple haben sich mitten in einer Krise nicht nur Gedanken über die Bewältigung der Krise gemacht, sondern sie haben diesen Moment genutzt, um die eigene Company nochmal neu zu erfinden. Und das nicht als Spinnerei, sondern ab diesem Moment setzte Apple die Idee von der eigenen Zukunft konsequent in die Tat um und schuf all das, was dafür notwendig war: das iPhone, Apple Music, App Store, iPod, iCloud, iPad, Apple TV, HomePod, iTunes Store etc.
Wie du mit Future-back Thinking deine Zukunft gestalten kannst
Apples Vorgehen in der damaligen Krise ist ein exzellentes Beispiel für ein Vorgehen, das Mark Johnson und Josh Suskewicz in ihrem Buch “Lead from the future” als Future-back Thinking beschreiben: Die Grundidee dabei ist, Zeit in die Arbeit an der Zukunft zu investieren. Und die Arbeit an der Zukunft beginnt mit Neugierde, unerschrockenen Fragen, Kreativität und Mut.
Im Idealfall solltet ihr regelmäßig wöchentlich etwa 10 bis 20 Prozent eurer Zeit darauf verwenden, euch konkret vorzustellen, wo eure Organisation nach dem Ende der Krise stehen soll.
Future-back Thinking meint, nicht von heute in die Zukunft vorauszudenken, sondern von der Zukunft her rückwärts bis zur Gegenwart zu denken. Also eine Strategie zu entwickeln, indem die Zukunftsvorstellungen auf das Heute zurückgeführt werden. Wie sehen die Schritte aus, die notwendig sind, um in zehn Jahren dort zu stehen, wo ihr hinwollt?
Um diesem Pfad treu zu bleiben, empfehlen Johnson und Suckewicz, die beide Partner in der von Clayton Christensen gegründeten Beraterfirma Innosight sind, in regelmäßigen Abständen eine Reihe von Richtwerten und Meilensteinen rückwärts zu entwickeln. Und von heute ausgehend, werden dann diese Meilensteine angepeilt.
Der Grund dafür, in der Zukunft anzufangen und rückwärtszugehen, liegt darin, dass dieses Rückwärtsgehen erlaubt, das, was die Organisation werden kann, unbelastet zu halten vom heutigen Stand der Dinge bzw. von den „Altlasten“ der Vergangenheit, die zum heutigen Status quo geführt haben. Außerdem hilft es zu entscheiden, welche Investitionen Vorrang haben sollten.
Wer per Future-back Thinking auf mittel- und langfristige Ziele hinarbeitet, braucht eine andere Denkweise als die Übliche – das zeigt die nachfolgende Gegenüberstellung aus “Lead from the future”:
Present-forward Thinking: Was ist
Future-back Thinking: Was sein wird
Present-forward Thinking: Erhaltend
Future-back Thinking: Transformativ
Present-forward Thinking: Kontinuierlich
Future-back Thinking: Diskontinuierlich
Present-forward Thinking: Denken in vorhandenen Denkmustern
Future-back Thinking: Entwicklung neuer Denkmuster
Present-forward Thinking: Streben nach Gewissheit
Future-back Thinking: Streben nach Klarheit
Present-forward Thinking: Umsetzung/Verwaltung
Future-back Thinking: Entdeckung/ Gestaltung
Present-forward Thinking: Linear
Future-back Thinking: Mehrdimensional
Present-forward Thinking: Analytisch
Future-back Thinking: Einfallsreich und kreativ
Present-forward Thinking: Fakten- und datengetrieben
Future-back Thinking: Von Annahmen getrieben
Present-forward Thinking: Antworten
Future-back Thinking: Fragen
Present-forward Thinking: Auf dem Vorhandenen aufbauend
Future-back Thinking: Vom weißen Blatt beginnend
Present-forward Thinking: Punktlösungen
Future-back Thinking: Systemisches Denken
Augen zu und durch?
Die gegenwärtige Krise ist noch lange nicht überstanden – auch wenn in vielen Teilen des öffentlichen Lebens die Zeichen immer mehr auf Rückkehr zum normalen Leben stehen. Viele von euch haben mit existenziellen Herausforderungen zu kämpfen. Vielleicht habt ihr das Gefühl, dass jetzt der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist, sich die Zeit zu nehmen, die nötig ist, um eine Vision und einen strategischen Weg in Richtung dieser Vision zu entwickeln.
Aber jetzt einfach zu warten, bis die Krise sich von selbst aufgelöst hat? Augen zu und durch? Gefühlsmäßig zurück in die Normalität?
Die vergangenen Krisen haben gezeigt:
Diejenigen, die nicht nur das Tagesgeschäft managen, sondern mitten in der Krise auch Zeit und Energie in die großen strategischen Fragen investieren, sind diejenigen, die aus der Krise stärker und widerstandsfähiger hervorgehen als sie hineingegangen sind.
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