Geschichten, die wir uns selbst erzählen

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Geschichten, die wir uns selbst erzählen

Peters Onkel Joachim hat Humor. Ziemlich viel sogar. Es gibt kaum jemanden, der Witze so erzählen kann wie er: Pointen gekonnt hinauszögern … und dann Raketen zünden, dass man vor Lachen keine Luft mehr bekommt! Er ist darin sooo gut, dass es eine wahre Freude ist, nur daran zu denken. Onkel Joachim muss sich um Einladungen nicht sorgen. Auf jeder Feier ist er die Stimmungs-Kanone Nummer eins.

Schade um’s Talent …

Aber Onkel Joachim ist kein Comedian. Er tritt nirgends auf und hat kein Publikum. Keiner außerhalb seines Verwandtschafts- und Bekanntenkreises kennt ihn. Er arbeitet im Einkauf eines Elektrogroßhändlers – also in einer ziemlich Comedy-freien Zone.

Anja hat ihn mal gefragt, ob er sich nicht vorstellen könnte, im Kleinkunstbereich zu arbeiten. Bei dem Talent, bei der Leidenschaft … und dann erzählte er seine Geschichte: Dass er das schon ausprobiert habe. Dass sein Programm aber nicht sonderlich gut angekommen sei. Wenn er darüber spricht, ist er überhaupt nicht lustig. Kurios aber ist: Obwohl es schon lange her ist, kann er sich an jedes Detail erinnern. Der Mann mit dem beigen Pullover in der ersten Reihe, der immer wieder auf seine Uhr schaute, der Tontechniker, der deutlich sichtbar den Kopf schüttelte …

Die Geschichte seines Misserfolgs hängt über ihm wie eine dunkle Wolke. Es wurde entschieden: Du sollst kein Komödiant sein!

Tatsächlich aber ist es so: Nachdem ES (was auch immer ES ist) passiert ist, begann Onkel Joachim, sich selbst eine Geschichte über dieses Erlebnis zu erzählen. Über Tage, Wochen, Monate und Jahre hinweg wiederholte er die Erzählung dieser Geschichte. Er glättete und redigierte manches, gab den Erinnerungen einen erzählerischen Dreh. Bis es passte. Bis die Geschichte zweifelsfrei bewies, dass einfach nicht sein konnte, was nicht sein durfte.

Es war einmal … ich!

Ihr kennt das: Wir erzählen uns selbst die Geschichten über unser Leben. Mit der Zeit verändert sich diese Geschichte immer mehr, bis sie eines Tages mit dem was tatsächlich passiert ist, nur noch ansatzweise etwas zu tun hat. Hätte man eine Videoaufzeichnung und würde die mit der Geschichte, die wir uns erzählen, abgleichen, gäbe es nur ansatzweise Übereinstimmungen. Aber das macht nichts, weil die Geschichte, die wir uns selbst immer und immer wieder erzählen, sehr viel lebhafter ist, als es jede Videoaufzeichnung sein könnte.

Psychologen sprechen vom autobiografischen Erinnern. Was wir über uns selbst wissen und wie wir uns selbst beurteilen, stammt fast ausschließlich aus den Episoden, an die wir uns mit Vorrang erinnern. Wir sind das, woran wir zurückdenken.

Und so brennt sich die Geschichte in unsere Erinnerung ein. Wir wiederholen sie immer wieder und irgendwann wird es die Geschichte, die wir uns erzählen, wenn wir wieder eine Entscheidung zu treffen haben.

Plötzlich wird die Geschichte in der Gegenwart wirksam.

Diese Geschichten, die wir uns erzählen, können uns helfen, entweder mutig vorwärts zu gehen und etwas zu wagen oder aber uns zurückhalten, einschränken und behindern.

Geschichten können umgeschrieben werden

Der entscheidende Punkt daran ist: Wir sind diesen Geschichten nicht ausgeliefert! Wenn eure Geschichte euch nicht stärkt und euch nicht hilft, sondern euch so behindert wie Onkel Joachims Selbsterzählung seines Scheiterns, die ihn daran hinderte, sein Talent zum Beruf zu machen, dann habt ihr die Freiheit, daran zu arbeiten. Ihr könnt euch eine neue, nützlichere, ermutigendere Geschichte erzählen. Material dazu liefert euch eure Biografie mehr als genug!

Isabel Allende hat einmal gesagt: „Du allein bist der Erzähler deiner Geschichte. Du hast die Wahl, etwas zu erschaffen, das größer ist als du selbst – oder nicht.“ So ist es! Die Geschichten, die wir uns selbst erzählen, bestimmen, was wir werden und wozu wir fähig sind.

Welche Geschichten erzählt ihr euch?

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