Neulich haben wir ein interessantes Interview gelesen: Der britische Daily Telegraph führte am Rande eines Fototermins ein Gespräch mit dem Fußballtrainer José Mourinho. Spannend finden wir daran nicht nur, dass der gebürtige Portugiese im Gespräch so völlig anders auftritt als am Spielfeldrand oder auf seinen berüchtigten Pressekonferenzen: Er klingt ruhig und selbstreflektiert.
Was wir außerdem noch nie von einer viel beschäftigten Führungspersönlichkeit öffentlich gehört haben, ist folgende Passage: „I need my time to be lonely (…) I need to reflect, I need to try to anticipate problems. I need my time.“
José Mourinho kommt jeden Morgen um halb acht als erster aufs Trainingsgelände, geht in sein Büro, verschließt die Tür und bleibt dort für zwei Stunden.
Alleine.
Jeden Tag.
In den meisten Unternehmen wäre so etwas undenkbar!
Wenn ihr diese Einschätzung für übertrieben haltet, dann probiert doch mal folgendes aus: Setzt euch mitten am Tag ganz entspannt mit einem Espresso auf die Besuchercouch und schaut in die Luft. Wie lange dauert es, bis einer der gehetzten Laptop-wichtig-durch-die-Gegend-Tragenden, einer der gestressten Pausenlos-das-Handy-ans-Ohr-Haltenden oder einer der geschäftigen Absatzzahlen-in-Papierstapeln-Suchenden zum abschätzigen Blick auch noch ein paar missbilligende Sprüche in eure Richtung schleudert? – Dabei kommt euch doch vielleicht gerade in den schweifenden Espresso-Minuten die beste und wertvollste Idee des Tages!
In den meisten Unternehmen, die wir kennen, ist es weitaus besser für die Karriere, sich vor die Tastatur zu setzen und Beschäftigung zu simulieren als zehn Minuten aus dem Fenster in die Wolken zu schauen. Dabei sind wir sicher, dass in den Wolken ein paar gute Gedanken schneller und sicherer zu finden sind als vor dem Bildschirm.
Schuld an unserer gedankenverlorenen Rastlosigkeit ist aber nicht nur die vorherrschende Unternehmenskultur. Wir stehen uns auch selbst im Weg: Der Drang, immer busy, immer erreichbar, immer angestrengt zu sein, ist der grimmigste Feind des Nachdenkens. Mal ehrlich: Den Ausknopf des Handys zu bedienen, den Stecker zu ziehen und mal still zu sitzen, das müssen viele erst wieder lernen!
Und die Entschleunigung, die uns so wohl täte, ist nur der eine Aspekt. Der andere ist das Alleinsein: Wir betonen im gesprochenen und geschriebenen Wort immer wieder gerne den Wert von Teamarbeit. Dazu stehen wir. Aber heute wollen wir das ergänzen: Im Alleinsein liegt enorme Kraft. Macht doch mal die Tür zu und haltet eure eigenen Gedanken aus: Wir wetten, da ist viel Brauchbares dabei!
Erstens Zeit haben, zweitens Zeit mit sich selbst haben – das sind zwei Fähigkeiten, die uns teuer sind. Wir laden euch ein, euch darin zu üben: Handy und Laptop weglassen, stattdessen einfach mal ruhig dasitzen und aus dem Fenster schauen. Nach Feierabend locker im Wald traben – ohne Lauftastic-App, Pulsmesser und Stoppuhr! In den Garten setzen und nicht vor die Glotze – und ohne iPad! Wer soll uns diese Auszeit zugestehen, wenn nicht wir selbst?
Und genau so wie jeder Einzelne wieder lernen sollte, sich ohne schlechtes Gewissen kreative Auszeiten zu nehmen, sollten Unternehmen lernen, Räume des Zweckfreien zuzulassen. Denn gerade dort tut sich oft ungeplant Entscheidendes.
Fließbänder funktionieren auf Knopfdruck, Kreativität tut es nicht. Ausgepowerte Fließbandarbeiter lassen sich – krass gesagt – einfach austauschen wie Ersatzteile. Aber das Fabrikzeitalter ist vorbei. Die meisten Menschen arbeiten heute auf der Basis von Wissen und Erfahrung – sie benutzen ihren Kopf. Und darum brauchen sie Zeit und Ruhe, um ihre Gedanken zu entfalten.
An alle Führungskräfte: Habt Vertrauen! Eure Mitarbeiter werden gute Ideen haben – wenn ihr ihnen dafür Raum gebt …