Kalkutta im Winter zu besuchen, so wie wir es vor zwei Jahren gemacht haben, ist offenbar goldrichtig. Die indische Millionenstadt am Delta des Ganges ist faszinierend. Es war die Wirkungsstätte von Mutter Teresa, über die wir hier schon einmal geschrieben haben. Was uns Einheimische schon damals gesagt hatten: Seid froh, dass ihr im Winter kommt! Im Sommer halten es Europäer hier nicht aus: Zu heiß. Und vor allem: viel zu schwül!
Kalkutta im Sommer
Darauf spielte auch der von uns sehr geschätzte indische Management-Vordenker Sumantra Ghoshal an, als er die Klimabedingungen seiner Geburtsstadt mit dem Unternehmensklima in großen Firmen verglich: „Das Problem großer Organisationen ist, dass die meisten von ihnen Kalkutta im Sommer kreieren!“ sagte Goshal, der an der INSEAD in Fontainebleau und an der London Business School gelehrt hat.
So ist es!
Wenn die Mitarbeiter ideale Arbeitsbedingungen hätten, wenn ihre Arbeitsumgebungen so erfrischend wären, wie ein Frühlingsspaziergang im Wald von Fontainebleau, dann hätten sie alle die Energie und die Kreativität, die nötig ist, um einen guten Job zu machen. So weit die Theorie. In der Praxis ist die tägliche Arbeit – vor allem in großen Organisationen – oftmals ungeheuer bürokratisch, von permanenten Unterbrechungen durchpflügt, politisch, voller Druck und geradezu byzantinisch komplex vor lauter Planungs-, Budgetierungs- oder Abstimmungs-Prozessen. Kalkutta im Sommer!
Mehr Freiraum und selbstbestimmtes Arbeiten
Und wenn die Mitarbeiter dann unter diesen Bedingungen nicht „performen“, werden sie auf Schulungen und Trainings geschickt – was das implizite Signal enthält: Ihr müsst Euch ändern! Dabei sind es oft nicht die Menschen, die sich ändern müssen, sondern unsere Vorstellung davon, wie man eine Organisationen zu führen hat.
Denn die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern hängt von drei großen Faktoren ab:
– Erstens von der Bereitschaft.
– Zweitens von der Fähigkeit.
– Drittens von der Möglichkeit.
Also: Wollen sie? Können sie? Und dürfen sie überhaupt?
Der Irrtum, den viele Organisationen begehen, liegt darin, dass sie völlig fixiert sind auf die ersten beiden Faktoren. Sie kommen überhaupt nicht auf die Idee, dass vielleicht sie selbst es sind, die Verantwortung übernehmen müssen. Nämlich Verantwortung für den dritten Faktor: Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, kreativ und unternehmerisch zu handeln. In erster Linie heißt das: Mehr Freiraum! Mehr selbstbestimmtes Arbeiten! Wir haben schon in etlichen Ausgaben des Business Backstage Reports darüber berichtet, wie das aussehen kann. Beispielsweise hier: Morning Star, Atlassian und Basecamp.
Sorgen Sie für optimale Arbeitsbedingungen
Wer mit der Leistung seiner Mitarbeiter nicht zufrieden ist, sollte zuerst einmal darüber nachdenken, ob all die Schulungen und Trainings wirklich sinnvoll sind. Motivation lässt sich nicht verordnen, sondern nur verderben. Unserer Erfahrung nach hapert es in den Organisationen an der Bereitschaft der Mitarbeiter ohnehin am allerwenigsten, sondern eher an den Arbeitsbedingungen.
Schulungen und Trainings sind nur dann sinnvoll, wenn die Fähigkeiten, also der zweite Faktor, wirklich noch ausbaufähig sind. Und auch das führt nur dann zu besseren Ergebnissen, wenn der dritte Faktor gegeben ist. In vielen Fällen mangelt es aber genau daran: An den Möglichkeiten, die die Organisation den Mitarbeitern gewährt.
Für optimale Bedingungen zu sorgen, liegt in der Verantwortung der Führungskräfte: Sorgen Sie für Freiräume!
Oder anders gesagt: Schicken Sie Ihre Mitarbeiter niemals im Sommer nach Kalkutta!