
Jetzt waren die Teilnehmer dran. Wir saßen unter den zwanzig Führungskräften eines größeren Mittelständlers, der uns für einen Strategie-Workshop eingeladen hatte. Alle waren neugierig auf die Ergebnisse der Gruppenarbeit zum Thema neue Serviceideen.
Das erste Team stand schon am Flipchart und hatte seinen Papierbogen aufgehängt: Darauf waren Begriffe, Zeichnungen und Pfeile zu sehen. Einer von ihnen fing an zu erzählen. Und zu gestikulieren. Und zu zeigen. Und zu argumentieren. Und zu erklären. Und einzuschränken. Und zu ergänzen. Die anderen vier mischten sich ein. Deuteten auf eine Zeichnung. Vertieften einzelne Aspekte.
Doch je länger sie redeten, desto mehr Fragezeichen schwebten über den Köpfen der Zuhörer. Das Team sprach bereits eine gefühlte Viertelstunde, in Wirklichkeit hatten sie nicht einmal ihre fünf Minuten ausgeschöpft.
Au weia. Während wir auf die Uhr schielten, hörten wir eine sonore Stimme, die wie eine Granate durch den Raum flog:
„Komm, vergiss es!“, rief jemand von ganz hinten.
Uns stockte der Atem – der Gruppensprecher hörte schlagartig auf zu reden. Oh, oh. Jetzt werden sie bestimmt in den Verteidigungsmodus rutschen, sich rechtfertigen und die umständlichen Erklärungen noch umständlicher erklären … Dachten wir.
Und was passierte?
Die Fünf am Flipchart schauten sich an, lachten, nahmen den Papierbogen ab und gingen zu ihren Plätzen. Ihre Kollegen applaudierten und schon war das nächste Team im Anmarsch. Die Stimmung war gut, die Luft war klar – und wir waren baff.
In diesem Unternehmen ist es ganz normal, Ideen mal eben kurz auszutauschen und genauso schnell zu verwerfen, wenn sie nichts taugen. Sachorientiert, ergebnisorientiert, ganz ohne Ego.
Klingt logisch? Ist überall so? Mitnichten!
In vielen Unternehmen gibt es eine Kultur, die verlangt, dass jede Idee perfekt ausgearbeitet wird, bevor man sie präsentiert oder bevor man darüber redet. Also verbringen die Mitarbeiter Tage und Wochen damit, jedes i-Tüpfelchen auszufeilen. Die Konsequenzen?
ERSTENS: Mitarbeitern fällt es immer schwerer, Kritik an ihren Ideen zu akzeptieren.
ZWEITENS: Diejenigen, die Feedback geben, packen es in immer dickere Wattepolster.
Und DRITTENS: Auf lange Sicht entstehen immer weniger Ideen.
Wenn aber eine Unternehmenskultur es ermöglicht, Ideen kurzerhand auszutauschen, die nur auf einer Serviette gekritzelt sind, und wenn das Ego der Teammitglieder soweit abgebaut ist, dass sie ein „Komm, vergiss es!“ lächelnd oder sogar dankend hinnehmen, wenn also jede Idee hinterfragt werden darf, dann ist die Chance für Innovationen riesengroß!