Vier Booster, um Kreativität in deiner Organisation voranzubringen

Booster für Kreativität

Vier Booster, um Kreativität in deiner Organisation voranzubringen

Harald, ein Verwandter von uns, ist Controller. Und zwar ein Controller wie wenn er extra für diese Rolle ausgesucht worden wäre: Strenger Scheitel, strenge Brille, strenger Blick. Auf den ersten Blick sieht jeder: Das ist ein Zahlenmensch! Jeder, der ihn beruflich kennt, würde schwören, dass Harald nicht einen Funken Kreativität in sich trägt.

Aber: Derselbe Harald ist ein begnadeter Hobbykoch. Und was für einer! Er macht so eine Art vegetarische Crossover-Küche mit lauter eigenen, ausgetüftelten Rezepten. Aber nicht etwa lahme Tofu-Burger oder dröge Spaghetti mit Linsen-Bolognese. Sondern Mangold-Curry-Lasagne, Grüner Wok-Spargel mit Knusper-Feta, Pilz-Risotto mit Chili-Brombeeren … da fliegt dir das Blech weg! Von wegen unkreativer Zahlenmensch!

Kreativität ab Werkseinstellung

Einer der hartnäckigsten Mythen über Kreativität ist, dass Menschen entweder von Natur aus kreativ sind – oder eben nicht. Dieser Mythos teilt die Menschheit in Kreative und Unkreative ein – und zwar ab Werkseinstellung. Das ist einfach. Und einfach nicht richtig. Es ist sogar falsch. Jeder Mensch kann kreativ sein! Jede/r … sofern er oder sie die Möglichkeit dazu erhält und der Kontext stimmt.

Die Frage ist also nicht, ob jemand kreativ ist oder nicht. Sondern: Wie muss das Umfeld beschaffen sein, damit es das kreative Element der Menschen unterstützt und entfesselt?

Diese Frage ist existentiell, denn in den heutigen Märkten haben nicht die Unternehmen mit der bestgefüllten Kasse die Nase vorn, sondern diejenigen mit den kreativsten Köpfen. Das ist kein Modewechsel in der Welt der Wirtschaft, sondern die Umkehrung der Verhältnisse, wie wir sie bisher kannten.

Substanz statt Oberflächenkosmetik

Das Schlagwort der Digitalisierung wabert allerorten durch die Büroflure und Werkshallen. Aber machen wir uns klar genug, dass die Digitalisierung das Ende einer Arbeitswelt einläutet, in der Fleiß über Kreativität steht? Das ist ein fundamentaler Umbruch, den wir hierzulande leider immer noch nicht so ganz in seiner Tragweite verinnerlicht haben. Stattdessen gibt es viel Oberflächenkosmetik zur „Kreativitätsförderung“: Ideencafés, Ideenwettbewerbe, Kreativitätstrainings … “Liebe Leute, mehr Kreativität bitte!” “Los geht’s!”

Das aber ist nicht Kreativität, sondern Kreativismus. Kreativität lässt sich eben nicht mal eben so per verordneter Maßnahme ankurbeln. Kreativität lebt von Freiheiten und einem institutionellen Rahmen, der das gewünschte kreative Denken und Handeln stützt und stärkt. Nicht die mentale Umorientierung der einzelnen Mitarbeiter macht Organisationen kreativer, sondern das Aufbrechen institutioneller Blockaden.

Beim Aufbrechen dieser Blockaden gibt es viel zu tun, denn Organisationen sind für die Regelhaftigkeit konzipiert (also das Tagesgeschäft) – und nicht für Kreativität (also die innovativen Lösungen für die Zukunft des Unternehmens).

Hinzu kommt: Unternehmen sind in ihrer Organisation auf Effizienz ausgerichtet, nicht auf das kreative und energieraubende Ausprobieren, das oftmals erfolglose Suchen und das eher zufällige Finden. All das, was kreativ sein könnte, weil dabei Routinen hinterfragt statt befolgt werden, weil ausprobiert statt abgearbeitet wird, weil dabei zwangsläufig auch mal was in den Sand gesetzt statt fehlerfrei exekutiert wird, all das ist unter strengen Effizienzgesichtspunkten eine kolossale „Verschwendung von Energie“. Organisationen sind darauf ausgerichtet, solche Reibungsflächen zu eliminieren. Und eben nicht, sie sogar noch zu fördern. Kreativität und Effizienz sind in Organisationen wie Feuer und Wasser. Und Wasser wird gemeinhin zum Löschen von Brandherden verwendet …

Wenn Menschen in einer Organisation kreativer werden sollen, muss dafür erstmal ein Umfeld geschaffen werden, das genau das unterstützt. Vier Hinweise dazu:

1. Kreativität heißt: Neue Kombinationen ermutigen

Der entscheidende Impuls für bahnbrechende kreative Arbeiten entsteht oftmals dadurch, dass Ideen, Vorgehens- oder Sichtweisen, die zuvor getrennt waren, zusammengebracht werden.

Beispielsweise war es ein zufälliger Besuch in der ethnografischen Sammlung des Trocadéro-Museums, der Picassos afrikanische Periode inspirierte.

Ein anderes Beispiel ist der Kalligrafie-Kurs, den Steve Jobs am College besuchte, nachdem er sein Studium bereits abgebrochen hatte. Ohne den hätte es keinen Apple Macintosh mit verschiedenen Schriftarten gegeben.

Wie lässt sich das in einem Unternehmen umsetzen? Zum Beispiel so wie bei Iteratec. Bei unserem Rebels-at-Work Event bei Iteratec in Hamburg haben wir gelernt, dass es dort den sogenannten Innovation-Frei-Day gibt. „Frei“, weil jeder machen kann, was er will. Unabhängig von Laufbahnstufen und Tätigkeitsschwerpunkten. „Frei-Day“, weil der bevorzugte Tag der Freitag ist.

Dadurch, dass die Mitarbeiter an Projekten arbeiten können, die nichts mit ihrer formellen Stellenbeschreibung zu tun haben, können Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Fachkenntnissen ihre Ideen und ihr Wissen kombinieren, was bei einem vorgegebenen und fest umrissenen Problemlösungsauftrag äußerst unwahrscheinlich wäre.

2. Kreativität heißt: Zweifeln am „was ist“

Kreativität fördern heißt, Menschen den Freiraum zu geben, zu denken „was sein könnte“. Anstatt nur stillschweigend zu akzeptieren, „was ist“. Schauspieler und Regisseur Alan Alda sagte: „Deine Annahmen sind die Fenster, durch die du die Welt siehst. Du musst sie von Zeit zu Zeit abwischen, damit das Licht reinkommt.“

Es gilt also, das Konzept zu hinterfragen, dass es nur einen „richtigen“ Standpunkt gibt oder eine „wahre“ Überzeugung. Kreativität, die so händeringend in den Unternehmen gesucht wird, beginnt mit der Anerkenntnis, dass es eben nicht nur ein vorherrschendes Modell gibt, die Dinge zu betrachten. Kreativität heißt dann: Dasselbe sehen wie alle anderen. Aber etwas anderes dabei denken.

Wie lässt sich das im Unternehmen umsetzen? Darüber haben wir im Zusammenhang mit dem Mantra Walk in stupid every morning” geschrieben – ein Motto, das bei der Werbeagentur Wieden & Kennedy gilt.

3. Kreativität heißt: Mit Fehlschlägen klug umgehen

Kreativ sind Menschen in einem Umfeld, in dem sie keine Scheu haben, neue Ideen auszuprobieren. Ein Umfeld, in dem es in Ordnung ist, auch mal in Sackgassen zu rennen oder auf die Nase zu fallen und davon zu lernen. Es geht also in einem kreativen Umfeld nicht darum, Fehlschläge zu verhindern, sondern darum, Fehlschläge als unvermeidlich anzuerkennen und klug mit ihnen umzugehen. Dieser Aspekt ist wirklich zentral: Die Angst vor dem Fehler ist der Tod der Kreativität.

Wie lässt sich das im Unternehmen umsetzen? Indem du Fehlschläge differenzierst. Es gibt zu vermeidende Fehler und clevere Fehlschläge“ , die zu belohnen sind. Augenöffnende Beispiele sind hierfür der Dare to try award“ des indischen Tata-Konzern und die Lernkultur von Supercell.

4. Kreativität heißt: Die verderbliche Ware nicht vergammeln lassen

Werbe-Veteran Jean-Remy von Matt hat Kreativität mal als „leicht verderbliche Ware“ bezeichnet. Und das trifft es sehr gut: Ziemlich schnell gerät diese leicht verderbliche Ware in die Hände von Leuten, die sie vergammeln lassen. Und zwar auf zweierlei Weise.

Erstens vergammelt Kreativität durch ein Zuviel: zu viele Beteiligte, die mitreden, zu viele Meetings, zu viele Genehmigungsverfahren, zu viele Abstimmungen, zu viele Interessen, zu viele Hierarchieebenen, zu viele Menschen, die lediglich die „power to say maybe“ haben, die also nichts entscheiden dürfen, sondern nur ablehnen oder weiterreichen. Letzteres ist ein sehr zuverlässiges Instrument, um gute Ideen auf der Strecke versickern zu lassen.

Zweitens vergammelt Kreativität durch ein Zuwenig: Vielen potenziellen Ideenanbietern steht nur ein einziger Nachfrager gegenüber – der jeweilige direkte Vorgesetzte. Er hat die Macht, Nein zu sagen und Ideen damit zu beerdigen: Ein einziges Nein, das nicht einmal begründet werden muss, genügt dann, um die Idee zu killen.

Die Kickbox ist ein Tool, um das zu verhindern. Denn erst nach fünf Schritten (u.a „Teste die Idee in einem Experiment“, „Optimiere die Idee anhand der gewonnen Daten“ …) wird dabei im letzten Schritt die Idee dem Management bzw. dem Vorgesetzten vorgestellt und um Zeit und Geld gefragt, um die Idee weiterzuverfolgen. Ein wirksames Rezept gegen das Vergammeln von Ideen.

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Alles in allem: Menschen sind fähig, kreativ zu sein. Die Frage ist, ob es im Unternehmenskontext wirklich erwünscht und erlaubt ist, Kreativität auszudrücken und anzuwenden.

Dabei ist es für uns immer wieder befremdlich, wie viel Zeit in die verbalen Appelle zum kreativen Aufbruch gesteckt wird. Wie viel Geld in Trainings, Coachings, Kreativ-Labore, Inkubatoren und Think-Tanks fließen, um Kreativität und Innovation in der Organisation zu fördern, aber gleichzeitig hartnäckig an Überzeugungen, Routinen, Denk- und Erfolgsmustern festgehalten wird. Wer die Forderung nach mehr Kreativität ernst nimmt, muss vieles hinter sich lassen: Rituale und Hierarchien, Mehrheitsmeinungen und Schemata.

Und genau da zeigt sich die herrschende Ambivalenz in prachtvoller Entfaltung: Wer es mit der Kreativität allzu ernst nimmt und im Schumpeterschen Sinne – Innovation als kreative Zerstörung des Bestehenden durch den Unternehmer – damit beginnt, Traditionen, Überzeugungen, Normen, Rollen und Schemata zu hinterfragen, wird sehr schnell als Bedrohung erlebt und in seine Schranken verwiesen: „Ach, weißt du, wir haben schon viele Jahrzehnte Erfahrung damit …“. Unausgesprochen: Wir sprechen dir das Recht ab, die Dinge anders zu sehen. Die Vergangenheit wird vehement verteidigt. Das, was die Organisation erfolgreich gemacht hat, wird wiederholt. Kreativ sein heißt jedoch, die einengenden Glaubenssätze aus unserer Vergangenheit zu überschreiten.

Kreativ sein ist eine Entscheidung, die damit beginnt, den Blick zu wechseln. Nichts für selbstverständlich zu halten. Und vor allem anzuerkennen: Kreativ ist, wer oder was Kreativität nicht behindert. Das wäre schon mal ein Anfang.

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