
Best Practice: Das Krisenmanagement von Tasty Catering
Die vergangenen Monate waren der reine Wahnsinn. Auch uns hat es im März voll erwischt: Unser Geschäft ist von hundert auf nahezu null abgestürzt. Wir konnten von einem Moment auf den anderen nicht mehr als Impulsgeber und Keynote-Speaker auf Konferenzen und Kongressen auftreten. Das bedeutet für uns so etwas wie ein Berufsverbot. Und das von hier auf jetzt, ohne Vorwarnung. Ein zukunftsorientiertes Krisenmanagement musste her …
Wenn wir jetzt behaupten würden, wir wären damit ganz entspannt umgegangen, hätten sogleich die Krise als Chance gesehen oder so ähnlich, dann wäre das eine krasse Realitätsbeschönigung. Das war in Wahrheit ein Schock.
Krisenmanagement – Worst Practice
Keiner von uns hat eine Kristallkugel – wir wissen nicht, wie lange die Krise noch dauern wird und welche Folgen sie für den Euro, die Arbeitslosenzahlen, die Politik, die Bürger und die Unternehmen hat. Prognosen sind schwierig. Wir werden es erst dann genau wissen, wenn wir in ein oder zwei Jahren auf das Heute zurückblicken.
Wegen der großen Verunsicherung ist für viele Mitarbeiter jetzt die Versuchung groß, nach dem starken Anführer zu rufen, der die Firma sicher durch die Krise navigiert. Der charismatische Leader, der trotz Gegenwind den Kurs hält, Ruhe und Überblick bewahrt und vor allen Dingen: die richtige Entscheidung trifft und sicher durch die Turbulenzen steuert.
Gleichzeitig ist aber auch aus Sicht der Führung in einer instabilen und unübersichtlichen Lage die Versuchung groß, die Mitarbeiter in engem Geschirr zu führen. Nur: Nachdem wir in den letzten Jahren in der Wirtschaft Fortschritte gemacht haben in Sachen Selbstorganisation, Führen statt Anweisen, Selbstverantwortung bei Teams und Mitarbeitern und so weiter, käme das führungstechnisch einem Salto rückwärts gleich.
Das ist nicht klug, denn es gilt ja nach wie vor und gerade jetzt: Wer als Mitarbeiter darauf vertraut, dass ein anderer alle Antworten hat und darum selbst keine Ideen zur Lösung beisteuert, nimmt sich aus der Mitverantwortung. Umgekehrt gilt aber auch: Wer als Führungskraft seine Leute nicht befähigt, eigenständig zu denken und zu handeln, wer weder die kulturellen noch die organisatorischen Voraussetzungen für selbstverantwortliches Arbeiten schafft, der wird zu den Zukunftsverlierern gehören.
Krisenmanagement – Best Practice
Wohl dem, der schon vor der Krise eine Firmenkultur der Innovationsstärke und Mündigkeit gepflegt hat – denn solche Unternehmen schlagen sich besser in der Krise und sie kommen schneller wieder heraus. Und natürlich lässt sich eine solche Firmenkultur nicht im Schnellverfahren implementieren, so etwas braucht Zeit, Energie und die Einsicht, dass es sehr viel mehr ist als ein ‚nice to have“ oder etwas, das sich durch Hinzufügen von Tischkicker und Sitzwürfeln „designen“ lässt.
Eine Innovations- und Verantwortungskultur muss man aktiv vorantreiben und das ist Führungsarbeit – ebenso wie der Schutz der Innovatoren vor den zahlreichen Schwarzsehern und Gralshütern des Status quo.
Aber wenn so eine Innovations- und Verantwortungskultur gewachsen ist, hilft sie gerade in schweren Zeiten enorm. Ein prägnantes Beispiel dafür liefert das Krisenmanagement von Tasty Catering.
Tasty ist ein Caterer für Geschäftskunden mit Firmensitz im Nordwesten Chicagos und beschäftigt fast 200 Vollzeit-, Teilzeit- und Saisonarbeiter. Das Unternehmen wurde von der Coronakrise besonders hart getroffen: Keine großen Konferenzen, Bankette oder Gala-Veranstaltungen mehr, das bedeutet: kein Catering mehr.
Was also tun? Wie gelingt es, in einer solchen Situation, in der von heute auf morgen das gesamte Geschäft quasi auf Null runterfährt, trotzdem weiterzumachen und keinen Mitarbeiter zu entlassen?
Best Practice: Das Krisenmanagement von Tasty Catering
Vier Punkte sind uns in der Kultur der Führung und Zusammenarbeit bei Tasty Catering aufgefallen. Beim Lesen wird dir auffallen, dass viele dieser Impulse nicht nur für die Zeit der Krise, sondern auch für die Zeit danach gelten. Wen das erstaunt, der missversteht die Krise als singulären Einschnitt. Wir sehen es so: Die Krise ist vor allem auch Brennglas und Verstärker für Veränderung, die ohnehin stattfinden muss!
1. Sei transparent!
Tasty Catering praktiziert schon seit Jahren Open-Book-Management. Die Grundidee: Alle internen Zahlen werden für alle Mitarbeiter offengelegt. Radikale Offenheit bei Tasty Catering heißt: Wir schalten das Licht an, damit alle Mitarbeiter sehen können. Damit das funktioniert, müssen Mitarbeiter allerdings erst einmal qualifiziert werden, das Geschäftsmodell sowie die Kosten- und Umsatztreiber zu verstehen und die Zahlen für sich und ihr Team zu interpretieren und in Handlungen umzusetzen.
In der Krise erhält dieser Ansatz, der im deutschsprachigen Raum immer noch Seltenheitswert hat, Nachdruck: Denn wenn Mitarbeiter sich nicht nur als Handlungs- und Erfüllungsgehilfen verstehen, sondern als Geschäftspartner, die unternehmerisch denken und handeln, ist ein gutes Verständnis der Geschäftszahlen von essentieller Bedeutung. Wenn es beispielsweise um Kostenkontrolle geht (in Krisenzeiten natürlich ein Riesenthema), dann kann man das top-down anordnen und mit entsprechenden Kontrollmechanismen versehen, um sicherzustellen, dass sich jeder daran hält. Oder aber – und das ist das Prinzip des Open-Book-Managements – es herrscht extreme Offenheit und alle werden in die Herausforderung der Kostenkontrolle eingebunden. Das funktioniert allerdings nur, wenn Mitarbeiter die entsprechenden Informationen und Instrumente haben, damit sie die richtigen Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen können.
Offenheit und Transparenz funktionieren nicht wie ein Schalter, der jetzt, weil es in der Krise opportun erscheint, einfach so umgelegt wird. Es ist eine bewusste Entscheidung seitens der Führung mit weitreichenden Konsequenzen, die die komplette Organisation in der Tiefe verändert. Transparenz heißt nämlich auch: Es gibt nichts zu verbergen und es gibt nichts, das nicht von jedermann hinterfragt werden kann. Und spätestens jetzt wird es auch unbequem.
2. Vermittle Hoffnung und Zuversicht!
Die Pandemie hat die Gastronomiebranche besonders hart getroffen und viele Wettbewerber von Tasty Catering haben ihr Business geschlossen. Doch für das Führungsteam von Tasty war Aufgeben keine Option. Diese Haltung war ermutigend für die Mitarbeiter und hat auch ihre Hoffnung und Zuversicht gestärkt.
Es geht dabei nicht um den bedingungslosen Glauben, dass sich alles nach unseren Vorstellungen entwickeln wird, wenn wir uns das nur fest genug wünschen. Zuversicht bedeutet, dass selbst wenn die Dinge sich anders als gewünscht entwickeln, wir trotzdem die Hoffnung nicht verlieren, weil wir darauf vertrauen, dass wir uns Spielräume schaffen können. Warum gerade das Stärken der Hoffnung eine so wichtige Führungsaufgabe ist, haben wir schon einmal beschrieben.
Die Botschaft des Führungsteams bei Tasty war: Sicher, wir verlieren Umsatz und haben weiterhin die laufenden Kosten des Betriebs – aber wir kümmern uns um unsere Leute, unsere Kunden und unsere Partner und geben jeden Tag unser Bestes, damit wir durch die Talsohle hindurchkommen. Gleichzeitig arbeiten wir an kreativen Lösungen (siehe nächster Punkt), damit das auch gelingt.
Wer es schafft, glaubwürdig die Grundwerte, für die ein Unternehmen steht, auch in Krisenzeiten hochzuhalten, liefert damit einen gigantischen Beitrag für die Moral und den Zusammenhalt des Teams. Die Moral und das Zusammengehörigkeitsgefühl sind der Treibstoff, der den notwendigen Energieschub liefert, um durch schwere Zeiten hindurchzukommen. Eine solche Kultur des Zusammenhalts beflügelt ein Team in Krisen- wie auch in Nicht-Krisenzeiten.
3. Inspiriere kreative Lösungen!
Für Tasty Catering war es wichtig, sich nicht von der Krise in die Mutlosigkeit abdrängen zu lassen, sondern dass jeder, wirklich jeder Mitarbeiter über den Tellerrand hinausschaut, die Ärmel hochkrempelt und überlegt, was er dazu beitragen kann, um den Laden am Laufen zu halten.
Ein Mitarbeiter schlug vor, das Catering umzustellen und Lunchpakete und warme Mahlzeiten auszuliefern. Das Verkaufsteam griff zum Telefon und begann, alle Kontakte anzurufen, um herauszufinden, wer noch arbeitete und eventuell eine Essenslieferung benötigte. Schnell war klar, dass die Menschen in systemrelevanten Organisationen und Berufen, wie beispielsweise die Mitarbeiter in temporären Krankenhäusern, Mahlzeiten brauchen, die Tasty liefern kann.
Also: Blick über den Tellerrand (über die üblichen Zielgruppen hinaus), kombiniert mit starker Teamarbeit, hat dazu geführt, neue Absatzmärkte zu erschließen und damit den Verlust des Stammgeschäfts zumindest in Teilen zu kompensieren.
Gleichzeitig war jeder und jedem bei Tasty klar, dass es gilt, mit voller Kraft an neuen Ideen und Innovationen zu arbeiten. So halten beispielsweise die Auslieferungsfahrer von Tasty auf dem Rückweg von der Auslieferungsfahrten an und machen sich Notizen, welche Büroparkplätze voller Autos sind und eventuell eine Essenslieferung benötigen könnten. Diese Infos werden schnell geteilt, um möglichst rasch und kreativ an neuen Lösungen zu basteln.
4. Entwickle einen Nordstern für die Zukunft!
Durch den starken Zusammenhalt als Team und die Einladung an die Mitarbeiter, aktiv an Lösungen mitzuarbeiten, ist es der Führungscrew von Tasty gelungen, die kollektive Intelligenz der eigenen Leute zu nutzen, um in Sinne von VERGEUDE KEINE KRISE! nicht nur die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen, sondern auch, um darüber nachzudenken, wie die Branche nach der Krise aussehen könnte und wie sich Tasty Catering für die Zeit danach positionieren könnte. Fertige Antworten gibt es noch nicht, aber es ist eben auch eine große Chance, die Strategie des Unternehmens zu überdenken und zu adaptieren.
Einige Ideen gibt es schon: Neben dem Essenslieferservice plant Tasty auch Lunchpakete und Einzelmahlzeiten für Veranstaltungen, wenn Buffets eben keine Option sind. Gleichzeitig will man daran gehen, das Catering für Firmenpicknicks im Freien zu übernehmen und ein Mitarbeiter hatte die Idee, dass ein Team von Tasty vor Ort das Kochen und Verpacken einzelner Mahlzeiten übernimmt.
Krisenmanagement als Einladung, an der Zukunft zu arbeiten
Krisenzeiten sind also immer auch eine Einladung, an der Zukunft zu arbeiten: Wo wollen wir langfristig hin und wer oder was wollen wir in Zukunft sein? Das Problem: Zu viele Manager lassen sich vom Tagesgeschäft treiben und nehmen sich zu wenig Zeit, den Mitarbeitern zu erklären, wohin sie den Tanker eigentlich steuern wollen. Aber genau das ist Führungsaufgabe: Eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln und diese zu kommunizieren. Auch und gerade jetzt. Eine Vorstellung davon, wohin die Reise gehen soll, hat zudem einen hohen emotionalen Wert. Sie gibt Hoffnung. Sie inspiriert Menschen.
Martin Walser schrieb: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße“. Aber man muss eben auch gehen. Wir brauchen nicht die Mentalität der Handlanger und Abarbeiter, sondern eine Grundeinstellung der selbstbewussten Eigenverantwortung und eine Führungsriege, die die kulturellen und organisatorischen Voraussetzungen für selbstverantwortliches Arbeiten schafft.
Die vier Punkte, die wir bei Tasty Catering gefunden haben, helfen definitiv in der Krise – aber nochmal: Das Fundament sollte schon lange vorher gelegt sein, damit es gelingt.
PS: Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, wird dir auch unser neues Buch VERGEUDE KEINE KRISE! gefallen. Es kommt mit 28 rebellischen Ideen für Führung, Selbstmanagement und die Zukunft der Arbeit.
In der ersten Erscheinungswoche hat es gleich den Amazon Bestseller-Rang Nr.1 (bei allen Büchern) belegt!
Dein gewünschtes Format – Taschenbuch oder Kindle-E-Book – kannst du bei Amazon bestellen.