
„Bitte nehmt mir meine drei Sterne weg!“ – mit dieser ungewöhnlichen Bitte wandte sich der französische Spitzenkoch Sébastien Bras an die Macher des Guide Michelin.
Ein Sternekoch, der keine Sterne will …? Wieso das denn? Gibt es denn für ein Restaurant eine großartigere Resonanz als die Auszeichnung durch den Guide Michelin?
Bras versetzte mit seiner Bitte um Nichtbeachtung nicht nur uns in ungläubiges Staunen, sondern auch die komplette Gourmet-Elite inklusive der Guide-Michelin-Redaktion.
Also: Warum?
Ich spiel nicht mehr mit!
Die altehrwürdige britische Zeitung „The Guardian“ ist dieser Frage auf den Grund gegangen. Sie fand heraus, dass Sébastien Bras NICHT deswegen von der Sterneliste gestrichen werden wollte, weil er keine Lust mehr auf die höchsten Qualitätsstandards der Sterneköche-Szene hatte oder gar künftig massentauglicher kochen wollte. Nein, ganz im Gegenteil! An seinen höchsten Ansprüchen ändert sich gar nichts, er will weiterhin in der Spitzenliga mitkochen. Was er allerdings auf gar keinen Fall mehr will: Für Sterne kochen! Sich den Maßstäben von Gastroexperten beugen! Gemessen werden am Geschmack schlechtgelaunter, anonymer Restaurantkritiker!
Was ihn interessiert, ist nicht das Urteil im Außen, sondern die Arbeit zu leisten, die ihm selbst etwas bedeutet. Sich an seinen eigenen Maßstäben messen und zufriedene Gäste haben – darauf kommt es ihm an. Also spielt er das ganze fremdbestimmte Michelin-Spiel konsequenterweise auch nicht mehr mit.
Was ist die Hauptspeise?
Wir sind beeindruckt! Und wir finden: Dieser störrische Höchstleister, der sich von der äußeren Bestätigung abwendet, erzeugt damit ein Spannungsfeld, über das es sich nachzudenken lohnt:
Natürlich braucht jeder von uns Anerkennung durch andere wie die Luft zum Atmen. In unserem Buch „Hört auf zu arbeiten!“ bezeichnen wir das als Resonanz. Mit anderen Worten: Alleine mit intrinsischer Motivation, so ganz ohne Resonanz von außen, wird niemand auf Dauer glücklich. Niemand ist so autark, als dass er auf die Bestätigung von außen komplett verzichten könnte. Wir wollen also, dass unsere Leistungen von anderen als Leistungen wahrgenommen und geschätzt werden. Aber das hat eine Nebenwirkung: Anerkennung kommt per Definition von außen, von den anderen. Wer die Anerkennung BRAUCHT, das Schulterklopfen der Kollegen, den Ritterschlag der Koryphäen, den Applaus des Publikums, der begibt sich somit auch immer in eine Abhängigkeit von der Wertschätzung der anderen. Das ist weder gut noch schlecht, sondern schlicht eine Tatsache.
Und genau hier wird’s herausfordernd: Wenn die Anerkennung die Hauptspeise ist, dann können Sie ohne sie nur emotional verhungern. Das Leben im Außen und für das Außen ist das eigentliche Problem. Ist die Anerkennung aber lediglich die Beilage oder das Dessert, dann können Sie sie unbeschwert genießen und auskosten. Denn dann sind Sie ja bereits gut genährt. Erst wenn Sie auch ohne Dessert leben könnten, wird ein exzellentes Dessert zur puren Freude.
Also: Wenn die Anerkennung das Dessert ist, was ist dann die Hauptspeise?
Verfolgen Sie Ihren wirklichen Lebenszweck?
Die Hauptspeise vermuten wir – ebenso wie es Sterneverzichter Sébastien Bras sieht – im Inneren des Menschen. Sie muss etwas mit Seele und Geist des Menschen zu tun haben, mit seiner Persönlichkeit und seinen Wünschen jenseits des Materiellen.
Nennen wir die Hauptspeise: Lebenszweck!
Es ist eine ziemlich gute Idee, sich regelmäßig Fragen zu stellen wie: Worum soll es in meinem Leben eigentlich gehen? Was ist mein Lebenszweck? Welchen Zielen laufe ich hinterher? Den Zielen anderer oder meinen eigenen?
Mache ich das, was ich tue aus einem inneren Antrieb heraus – oder dominiert bei genauerem Hinsehen der Wunsch nach Bestätigung von Außen (von den Kollegen, den Wettbewerbern, den Branchenspezialisten, den Fachjournalisten, den Kritikern)? Hat sich mein Maßstab in den letzten Jahren verändert? Ganz im Außen leben ist genauso schädlich wie ganz im Innen leben. Es kommt also auf die Gewichtung an – das macht es so herausfordernd! Die Anerkennung Ihres Tuns ist wichtig, sie sollte aber nicht zum Zielmagnet Ihres Lebens werden.
Das auszubalancieren ist eine permanente Lebensaufgabe. Peter malt aus diesem Grund jeden Morgen einen Tennisball auf seinen Notizblock. Dieser Ball symbolisiert einen Hund, der beim Gassigehen hinter dem vom Herrchen geworfenen Tennisball hinterherrennt, um ihn zu apportieren. Das erinnert Peter daran, sich zu fragen:
Wem oder was laufe ich hinterher?
Und will ich das wirklich?
Verfolge ich meinen Lebenszweck?