
Routine ist schlecht, Routine ist gut – ja, was denn nun?
Wenn „Leben“ bedeutet, eine Routine nach der anderen abzuspulen, wie ferngesteuerte Roboter aufs Wochenende, den Urlaub und die Rente zuzusteuern, dann ist Routine gleichbedeutend mit: Leben ohne Entschiedenheit. Ein vergeudetes Leben.
Aber es gibt auch eine andere Seite! Barack Obama sagte als Präsident: „Ich trage nur graue oder blaue Anzüge. Ich versuche Entscheidungen zu minimieren. Ich will keine Entscheidungen darüber treffen, was ich anziehe oder esse, weil ich zu viele andere Entscheidungen zu treffen habe.“
So oder so ähnlich halten oder hielten es auch Mark Zuckerberg und Steve Jobs mit ihrer Garderobe. Eine kluge Strategie finden wir!
Nicht von Belanglosigkeiten ablenken lassen
Entscheidungen ein für allemal treffen, um dann nie mehr entscheiden zu müssen, bewusste selbstgewählte Wahleinschränkungen vornehmen, oder anders gesagt: Routinen bilden. Das macht uns das Leben leichter. Obama: „Man muss seine Entscheidungsenergien bündeln und Routinen entwickeln. Man kann sich nicht den ganzen Tag lang von Belanglosigkeiten ablenken lassen.“
Genau.
Allerdings: Sinnvoll ist das eben nur bei den alltäglichen Dingen. Da ist es unerheblich, ob ein Anzug schwarz, grau oder blau ist. Da genügt es tatsächlich, sich einmal für eine Farbe zu entscheiden und dann immer und immer wieder auf die Replay-Taste zu drücken.
Routinen beanspruchen unsere Aufmerksamkeit wenig
Diese Art der Routine erspart euch exakt die Zeit und Aufmerksamkeit, die ihr euch für die wirklich wichtigen Wahlhandlungen aufheben könnt, die eben NICHT blind erfolgen sollten. Für die auf gar keinen Fall Regeln und Routinen gelten dürfen. Nämlich: für all das Wichtige im Leben. Für die großen Fragen. Für das Wesentliche. Dafür braucht ihr Zeit. Darüber solltet ihr gründlich nachdenken. Dafür braucht ihr Entscheidungsenergie: Ist mein Leben nach den Werten ausgerichtet, die mir wirklich wichtig sind? Bin ich der Mensch, der ich sein will?
Um sich solche Fragen zu stellen, brauchen Sie Zeit und Achtsamkeit und den Willen, sich immer wieder selbst zu reflektieren.
Es gilt also das Kleine vom Großen zu unterscheiden. Und: Das bereits Entschiedene auch umzusetzen. Zum Beispiel: Wir sparen uns komplett die Energie, die wir an jedem einzelnen Tag für die Entscheidung bräuchten, ob, wann und wie wir Sport machen sollten oder eben nicht. Wir haben das einmal gründlich durchdacht und für uns entschieden. Seitdem hinterfragen wir das nicht mehr. Wir stehen morgens auf und machen Sport. Basta. Unverhandelbar.
Energievergeudung auf Nebenschauplätzen des Lebens
Eine Diskussion über das Thema Sport fänden wir so belanglos, dass wir sie uns durch die gebildete Routine einfach ersparen. Wir finden es beinahe schon verrückt, wenn wir Menschen begegnen, die tagelang über solchen Allerweltsfragen brüten, wie etwa, ob sie nun ihr neues Auto mit Ledersitzen in Muskatbraun oder Nougatbraun nehmen sollen. In solche Entscheidungen fließt bisweilen Energie in Mengen, mit denen man eine Kleinstadt versorgen könnte.
Für die großen Fragen nehmen sich viele Menschen aber im Gegenzug so gut wie keine Zeit – wir hören sie über die Farbe der Autositze philosophieren und denken uns im Stillen: Wäre es nicht angebrachter ihr unterhieltet euch über eure kriselnde Beziehung? Oder darüber, ob ihr das Leben lebt, das ihr eigentlich leben möchtet?
Lebe nicht das Leben eines anderen
Natürlich sind diese schiefen Prioritäten eine Vermeidungsstrategie, aber der Preis ist doch verdammt hoch! Sokrates lag goldrichtig mit seiner Aussage: „Das ungeprüfte Leben ist für den Menschen nicht lebenswert.“
Mit anderen Worten: Wer sein Leben nicht permanent überprüft, um sicherzugehen, dass die Ausrichtung noch stimmt, läuft Gefahr, das Leben eines anderen zu führen. Dann müssen wir am Ende unseres Lebens womöglich erkennen, dass der Pfad, den wir beschritten haben, nicht unser eigener war. Und dann können wir nicht mehr umkehren!