Eine Kunde ruft im Callcenter eines Hausgeräteherstellers an: Seine Waschmaschine sei voller Schmutz und funktioniere nicht mehr richtig. Jemand solle sich das Problem bitte mal ansehen.
Der Hersteller reagiert, indem er einen Techniker zum Kunden schickt, der das prüfen soll.
So weit, so normal.
Was dann allerdings passiert, verdient das Prädikat „alles, außer gewöhnlich“. Denn was der Techniker bei der Inspektion der Waschmaschine feststellt, läuft deutlich jenseits der Spur des Üblichen.
Der Schmutz in der Maschine stammt nicht nur von der Kleidung, die der Kunde bei der Kartoffelernte auf dem Feld getragen hat, sondern auch von der Ernte selbst. Der Landwirt hatte seine Waschmaschine nämlich zweifach genutzt: zum Waschen der Kleidung und zum Waschen der Kartoffeln. Waschmaschinen Hack auf die originelle Art!
Aber es kommt noch besser … Anstatt den Landwirt zu belehren, kehrt der Techniker mit einer ungewöhnlichen Idee in die Zentrale zurück … und wenig später bringt das Unternehmen eine Waschmaschine auf den Markt, die sowohl Kleidung als auch Gemüse waschen kann!
Die Geschichte, die sich tatsächlich so ereignet hat, spielt in China und der Hausgerätehersteller heißt Haier – übrigens einer der weltweit größten Hersteller von Haushaltsgeräten.
Serendipity
Was im Nachhinein wie ein brillanter strategischer Schachzug aussieht, war in Wirklichkeit die Fähigkeit, das Unerwartete und Überraschende anzunehmen und in positive Ergebnisse zu verwandeln. Genau das bezeichnet man als Serendipity.
Serendipity ist eine Fähigkeit. Und diese Fähigkeit kann trainiert werden, um die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens zu verstärken.
Ohne die Fähigkeit des Technikers, mehr in der Situation zu sehen als eine blöde Zweckentfremdung einer Waschmaschine und ohne die Fähigkeit der Produktverantwortlichen in der Zentrale, genau diese gar-nicht-so-dumme-Zweckentfremdung aufzugreifen, wäre die Sache ins Leere gelaufen. Diese kleine chinesische Geschichte zeigt uns, dass die Fähigkeit des Wahrnehmens der erste wichtige Schritt ist, der den entscheidenden Unterschied macht.
Was im geschäftlichen Kontext gilt, trifft auch im Privatleben zu: Wir stellen immer wieder fest, dass die interessantesten Menschen, die wir kennengelernt und über die wir in unseren Büchern und Artikeln geschrieben haben, eine Sache gemeinsam haben: Sie kultivieren Serendipity. Manche bewusst, andere eher intuitiv. Sie haben die Fähigkeit, etwas zu entdecken, ohne dass sie es darauf anlegt haben. Sie bezirzen das Glück.
Christian Busch, Direktor des Global Economy Programms an der New York University, hat eines der besten Bücher zu diesem Thema geschrieben: „The Serendipity Mindset: The Art and Science of Creating Good Luck“.
Wir haben fünf Punkte für dich, wie du mit Serendipity deinem Glück auf die Sprünge helfen kannst.
#1: Serendipity heißt, aktives Glück zu forcieren
Wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht, neigen wir dazu, es als glücklichen oder weniger glücklichen Umstand zu etikettieren, der uns widerfahren ist. Bezogen auf Glück unterscheidet Christian Busch allerdings zwischen „reinem Glück“, zum Beispiel in eine wohlhabende Familie geboren zu sein – und „aktivem Glück“, dem man durch eigene Aktivität auf die Sprünge hilft.
Wenn du an die glücklichen Zufälle zurückdenkst, die dein Leben geprägt haben, dann wirst du wahrscheinlich feststellen, dass es dabei oftmals auch ein aktives Element gab. Sprich: Du hast etwas dafür getan.
So sah Peter beispielsweise vor einigen Jahren in Südindien einen Mann, der im Liegestuhl in das Buch „Drive“ von Dan Pink vertieft war. Peter sprach ihn an und es stellte sich heraus, dass der Typ im Liegestuhl ein guter Freund von Dan Pink war, der sehr gern den Kontakt zu unserem Autorenkollegen aus Washington herstellte.
Das gleiche Prinzip gilt auch im Geschäftsleben: Beim „aktiven Glück“ geht es darum, unerwartete Momente zu nutzen und sie durch eigenes Handeln in positive Ergebnisse zu verwandeln. So wie Haier das mit der zweckentfremdeten Waschmaschine gemacht hat.
#2: Serendipity heißt, Auslöser zu säen
Wir alle kennen das: du triffst jemanden und eine der ersten Fragen ist: „Und, was machst du so beruflich?“ Auf diese nicht sehr originelle Frage gibt es dann ganz automatisch eine nicht sehr originelle Antwort: „Ich bin Architektin/ Unternehmerin / Berater/ Coach/ Ingenieur/ Studentin …“ Wie sollen sich daraus glückliche oder überraschende Entdeckungen entwickeln?
Alternativ könntest du ganz bewusst Serendipity Auslöser säen. Dein Netz also sehr viel weiter auswerfen als du es bisher getan hast, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
So könnte Anja beispielsweise antworten: „Ich liebe es zu lesen und Bücher zu schreiben – und habe die Initiative Rebels at Work gegründet. Vor kurzem habe ich angefangen, mich mit Buddhismus zu beschäftigen und ich mache gerne Yoga“. Diese Antwort enthält fünf Aufhänger und der Gesprächspartner könnte den Aufhänger auswählen, der am meisten mit seinem Leben zu tun hat: “Oh, was für ein Zufall! Ich war vor kurzem in einem buddhistischen Kloster auf Hawaii. Lass uns reden!”
Exakt aus diesem Grund haben die Namensschilder bei unseren Rebel Events einen kleinen, aber entscheidenden Twist: die anwesenden Rebels ergänzen ihren Namen mit einem „Random Fact“ über sich. Da steht dann zum Beispiel „Martina Mustermann. Ich habe letztes Jahr den Kilimandscharo bestiegen“ oder „Peter Petersen. Ich arbeite ehrenamtlich in einem Hospiz und begleite Sterbende“ oder „Jeanette Janssen. Mein Start-up entwickelt einen Sprachassistenten für Senioren“ … klar, dass solche Serendipity-Auslöser zu interessanten Gesprächen mit oft unerwarteten Ergebnissen führen.
#3: Serendipity heißt, auf den inneren Kompass zu vertrauen
Selten verläuft das Leben geradlinig; ganz im Gegenteil: Turbulenzen und unerwartete Wendungen gehören dazu. Die entscheidende Frage ist dann: Wie gehst du damit um? Werden sie als lästige Störungen angesehen, die nicht vorkommen dürfen? Setzt du alles daran, das Leben schnell wieder „in den Griff“ zu bekommen und alles, was nicht in die gerade Linie passt, wegzuradieren? Man denke nur an die Hochglanz-Lebensläufe, die so poliert sind, dass der gesamte Werdegang wie ein kohärenter, durchorganisierter und perfekt umgesetzter Plan aussieht.
Christian Busch zitiert in seinem Buch Studien, die zeigen, dass erfolgreiche Führungskräfte nicht nur ihre Ziele verfolgen, sondern auch offen gegenüber dem Unerwarteten sind. Eric Schmidt, der ehemalige Chairman und CEO von Google, sagt, dass es das Ziel von Google sei, an mehr interessanten Projekten zu arbeiten als jedes andere Unternehmen der Welt. Es gibt also einen klaren strategischen Fokus einerseits und andererseits auch Investitionen in Projekte, die auf den ersten Blick nicht viel mit dem engen strategischen Fokus zu tun haben.
Das gilt auch für das Leben: Natürlich solltest du deine Ziele verfolgen. Aber gleichzeitig ist es auch eine gute Idee, offen zu sein für unerwartete, aber interessante Möglichkeiten, die sich dir auf deiner Lebensreise eröffnen. Ein innerer Kompass ist dabei wichtig, um sowohl mit dem Unerwarteten umzugehen als auch Ablenkungen herauszufiltern.
#4: Serendipity heißt, sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren und nicht auf die Beschränkungen
Immer dann, wenn es mal wieder überhaupt nicht so läuft, wie du dir das vorgestellt hast, gibt es zwei Optionen: Du klagst über die blöden Umstände und die damit verbundenen Schwierigkeiten – oder du siehst darin die Chance, ganz neue Wege zu gehen und vielleicht sogar sehr kreative Lösungen zu entwickeln.
Ein inspirierendes Beispiel ist Dr. Devi Shetty, der als Henry Ford der Herzchirurgie bezeichnet wird und über den wir hier geschrieben haben. Gerade Einschränkungen und Herausforderungen forcieren die Notwendigkeit, ganz neue Wege zu beschreiten. Das bestätigt auch Frank Gehry, den wir in unserem Buch „Hört auf zu arbeiten!“ porträtiert haben. Auf die Frage, was ihn antreibt, antwortet der weltberühmte Architekt: „Die Einschränkungen und Begrenzungen! Als Künstler unterliege ich Zwängen … aber innerhalb dieser Grenzen habe ich etwa 15 Prozent Freiheit, um meine Kunst zu entfalten.“
Wer auf den altbekannten Wegen nicht weiterkommt, sucht eben ungewöhnliche Lösungen. Improvisation und das originelle neue Zusammenfügen von bekannten Elementen eröffnen so ganz neue Horizonte.
Das bedeutet: Deinem Glück lässt sich auf die Sprünge helfen, indem du den Fokus auf die Möglichkeiten legst – und nicht auf die Beschränkungen. Indem du Passivität und gefühlte Machtlosigkeit in Aktivität verwandelst.
#5: Serendipity heißt, schwierige Herausforderungen als Einladung zur Neugestaltung zu nutzen
Die Art und Weise, wie wir mit unerwarteten, insbesondere unangenehmen Vorkommnissen umgehen, definiert, wer wir sind. Dies gilt besonders in Krisenzeiten. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat es mal so auf den Punkt gebracht: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
Als nach den Anschlägen vom 11. September die Mitnahme von Taschenmessern an Bord von Flugzeugen verboten wurde, verlor der Taschenmesserhersteller Victorinox über Nacht 40 Prozent seines Geschäfts. Victorinox entließ allerdings keinen einzigen Mitarbeiter, sondern baute neue Geschäftsfelder auf wie beispielsweise Haushaltsmesser, Uhren oder Reisegepäck. Auf diese Weise verwandelte Victorinox die schwierige Herausforderung in eine Chance zur Neugestaltung und Erweiterung des alten Geschäftsmodells.
In allen diesen Fällen geht es also nicht um glückliche Zufälle, sondern um die Fähigkeit, die Zukunft zu meistern; das Glück sozusagen ein Stück weit zu bezirzen. Wir alle haben zufällige Begegnungen. Wir alle haben Geistesblitze mit kreativen Einsichten. Aber das Glück begünstigt nur diejenigen, die die Gelegenheit ergreifen und handeln.
„Serendipity kann eine tiefe Quelle der Freude und des Staunens sein, jener magischen Momente, die das Leben sinnvoll und interessant machen”, fasst es Christian Busch zusammen.

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