
Kleine Handlung, große Wirkung
Ein alter Mann geht bei Sonnenuntergang den Strand entlang. Er nähert sich einem jungen Mann, der etwas ins Meer wirft, immer wieder. Bei ihm angekommen sieht er, dass er Seesterne vom Strand aufhebt und ins Meer wirft.
„Warum machst du das?“, fragt er ihn.
Der junge Mann antwortet: „Die gestrandeten Seesterne sterben, wenn sie bis Sonnenaufgang hier liegen bleiben.“
„Aber der Strand ist kilometerlang, es sind tausende Seesterne. Was macht es denn da für einen Unterschied, wenn du ein paar rettest?“, fragt der alte Mann.
Der junge Mann blickt auf den Seestern in seiner Hand, wirft ihn ins Meer und antwortet: „Es macht einen Unterschied für DIESEN hier.“
Diese Geschichte stammt von William Ashburne, sie ist wunderbar in ihrer Klarheit und Botschaft. Aber ist sie nicht auch ein bisschen naiv?
Die Logik des Beginnens
Okay, gehen wir mal ganz nüchtern an die Sache ran: Nehmen wir an, das Ziel sei es, möglichst viele Seesterne zu retten. Also könnte man doch eine Maschine entwickeln, die nachts den kompletten Strand absucht und tausende Seesterne vor Sonnenaufgang rettet. Dann kommt ein Investor dazu, der das Kapital zur Verfügung stellt, um noch mehr Maschinen zu bauen und an noch viel mehr Stränden Seesterne zu retten – und plötzlich wird aus der emotionalen Geschichte ein Erfolg.
Das Geschäftsmodell „Seesterne retten“ wird skaliert und hat einen gigantischen Impact. Die Maschinen werden immer weiter optimiert, die Kosten pro gerettetem Seestern sinken, das Volumen steigt. Weltweit vertrocknen kaum mehr Seesterne!
Gut, wir müssten bedenken, dass die Population der Seesterne durch diesen Eingriff in die ökologischen Mechanismen erheblich vergrößert würde und wir dann als nächstes die Korallenriffe, die von den Seesternen kahlgefressen werden, mit einer riesigen Flotte Meeresdrohnen vor gefräßigen Seesternen schützen müssten. An der Universität Queensland in Australien wurde übrigens zum Schutz des Great Barrier Reef ein solcher Seesterne tötender, ferngesteuerter Unterwasserroboter tatsächlich entwickelt!
Skalierbarkeit: Der heilige Gral
Aber das ist nicht der Punkt. Uns geht es mit dieser Geschichte nicht um Ökologie und Technikfolgenabschätzung, sondern darum, dass wir doch alle irgendwie fasziniert sind von der Skalierbarkeit. Wie man den Umsatz steigern kann, ohne kontinuierlich in Produktion und Infrastruktur investieren und die Fixkosten erhöhen zu müssen, dass ist in der Geschäftswelt der heilige Gral.
Ganz konkret: Wie könnt Ihr ein Geschäft entwickeln, Produkte oder Dienstleistungen schaffen, Soziale Medien bespielen, einen Blog schreiben, etc. und das dann skalieren, also damit möglichst schnell möglichst viele Menschen erreichen?
Wir hören doch täglich, wie Amazon, Google, Facebook, AirBnB, Tesla, Uber das gemacht haben. Und dann gibt es da noch die Beispiele der Ideen, die sich ungeplant und aus purem Zufall viral verbreiten und innerhalb von wenigen Tagen zehntausende, hunderttausende von Online-Unterstützern sammeln. Oder die kleine Gruppe von unternehmensinternen Rebellen, die mit einem einzigen klugen Schachzug die Unternehmenskultur in einer Organisation mit mehreren tausend Mitarbeitern nachhaltig verändert hat … das sind inspirierende Geschichten.
Wenn wir an das Skalieren denken, dann fasziniert uns daran, dass die Massen erreicht werden. Wirkkraft entfalten! Einen „Abdruck im Universum hinterlassen“!
Ein Blogbeitrag, der von 20 Leuten gelesen wird? – wirkt dem gegenüber lächerlich mickrig! Eine Xing-Community mit 15 Teilnehmern? –Ein Flop. Ein Produkt, das nur eine Minderheit der Kunden interessant findet? Wozu überhaupt? Ein Newsletter mit nur 800 Abonnenten? Das lohnt sich doch nicht. – So denken wir dann und träumen weiter von der Skalierung.
Der Mythos vom skalierten Geschäftsmodell
Was wir dabei aber übersehen: Um ein Projekt oder eine Idee auf den Weg zum Erfolg zu bringen, steht zu allererst harte Arbeit auf dem Programm. Anfangs geht es nur langsam und mühsam voran. Der schnelle Erfolg ist eiMythos. Alle großen Erfolgsgeschichten von skalierten Geschäftsmodellen haben auch eine kleine, unspektakuläre Vorgeschichte. Wer diese Mühen des kleinen Anfangs scheut, der rechtfertigt sich dann damit, dass es sich nicht lohnt, dass das zu klein ist, dass es sich nicht rechnet, dass es ein Misserfolg ist, dass man als Einzelner gar nichts bewirken kann …
Aber wer so denkt, hat nicht verstanden, wie Anfangen geht. Statt von Millionen Nutzern, Kunden, Fans, Besuchern, besessen zu sein, sollten wir uns damit beschäftigen, wie wir das erste Modell bauen. Wie wir unseren ersten Kunden gewinnen. Wie wir an der Idee arbeiten, lange bevor irgendjemand etwas davon weiß. Jedes Unternehmen hat so angefangen: Mit einem Kunden.
Was ist Erfolg?
Dazu müssen wir allerdings neu definieren, was für uns Erfolg ist. Wenn Erfolg bedeutet, dass Kunden bei der Markteinführung Schlange stehen für unser neues Produkt oder mit einer neuen Initiative sofort die gesamte Unternehmenskultur verändert wird, dann werden wir diesen Erfolg vielleicht niemals erreichen.
Wenn wir stattdessen Erfolg als einen kleinen Beitrag verstehen, den wir geleistet haben, um eine Veränderung voranzutreiben, dann können wir es sehr wohl als Erfolg ansehen, wenn die ersten acht Kollegen von einer Idee überzeugt sind. Genau genommen, können wir mit dieser Definition von Erfolg jeden einzelnen Tag ein Gewinner, ein Veränderer, ein Influencer sein, indem wir jeden einzelnen Tag einen kleinen Beitrag zu einer lohnenden Veränderung leisten. Und wer weiß, am Ende kann der Effekt womöglich doch noch überwältigend werden.
Fang heute an: mach diesen einen Unterschied
Also: Fang an, gemeinsam mit deinem Team heute etwas an der Kultur zu ändern. Hilf jetzt diesem einen Kunden, der gerade angerufen hat, bei seinem Problem weiter. Schenk an diesem Vormittag diesem einen Mitarbeiter ein offenes Ohr. Freu dich über den einen Kommentar zu deinem Beitrag auf LinkedIn. Wirf diesen einen Seestern zurück ins Meer.
Es wird für DIESEN EINEN Unterschied machen!
Zu wissen, dass man mit seinem Leben
auch nur einem einzigen Menschen
das Atmen erleichtert hat,
das heißt: Erfolg zu haben.
— Ralph Waldo Emerson

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