
Space 10 heißt das neue Innovation Lab von IKEA… Es liegt im hippen Meatpacking District in Kopenhagen und soll die coole, kreative Entwicklungsschmiede für die Möbelbauer sein. Jaaaa, klar! Ein PR-Gag! … haben wir im ersten Moment gedacht: Clever eingefädelt, um sich einen modernen, innovativen Anstrich zu verpassen.
Aber dann haben wir genauer hingeschaut und zwei bemerkenswert kluge Prinzipien aus diesem Projekt herausdestilliert:
Das Team Space10
Es geht beim Space 10 nicht darum, dass ein paar junge IKEA-Mitarbeiter einen Raum zum Rumspinnen bekommen. Die bleiben nämlich in ihren Büros und sind dafür verantwortlich, dass das normale Geschäft rund läuft. Im ausgegliederten Space 10 wurden stattdessen Outsider engagiert, also gerade keine IKEA-Mitarbeiter. Allerdings wurde auch nicht das klassische „Kunde-bestellt-Idee-bei-Agentur-Modell“ gewählt. IKEA bezahlt die Räume und das ganze Drumherum. Die Ideensucher, die dort arbeiten, werden aber von der Rebel Agency, einer kleinen dänischen Designfirma, ausgesucht und engagiert. Das finden wir schlau: So entgeht IKEA der Falle, dass zu viele Hausüberzeugungen und -praktiken den Horizont einengen.
Die Zeitschiene Space10
IKEA sucht langfristige Ideen, um Trends und große Entwicklungen der Lebenswelten aufzuspüren. Es geht also gerade nicht darum, schnell neue Produkte für den Verkauf in nächster Zeit zu kreieren. Dieser Langfristfokus wird kombiniert mit einer sehr cleveren Verknappung:
Das Jahr wird in vier Einheiten je drei Monate gesplittet. Jedes Quartal bekommt ein Thema. Zwei Monate tüftelt das Team (das ist sehr kurz!) – dann müssen die Prototypen fertig sein. Sofort werden die Ergebnisse einen Monat lang öffentlich vorgeführt, die Kopenhagener werden zum Testen eingeladen. Dann wird Tabula Rasa gemacht und es beginnt das nächste Quartal: Neues Thema, neuer Anfang, neue Ideen.
Diese strenge thematische und zeitliche Einschränkung bilden die Leitplanken für kreative Freiheit – Ideen entstehen nämlich immer an der Nahtstelle von Ordnung und Chaos, von Freiheit und Unfreiheit.
Modernes Innovationsmanagement
Wir finden diese Vorgehensweise spannend, denn sie stellt die typischen Praktiken von Innovationsteams auf den Kopf. Nein, sie stellt Innovation vom Kopf auf die Füße: Denn das übliche Innovationsmanagement kommt an seine Grenzen, sobald es darum geht, disruptive „bold new ideas“ zu entwerfen, die das Potenzial haben, das Geschäftsmodell grundsätzlich zu verändern.
Der Autor Bill Taylor beschreibt die Logik dieses Vorgehens sehr gut in seinem Buch „Practically Radical“: Unternehmen müssen sich heute mit zwei Sorten Risiko auseinandersetzen. Das erste Risiko besteht darin, gravierende Fehler zu machen, die das Boot zum Sinken bringen. Das zu verhindern, darin sind die meisten Unternehmen sehr gut.
Das zweite Risiko besteht darin, so sehr mit dem konservativen Vermeiden beschäftigt zu sein, dass auch progressive Aktivitäten unterlassen werden, die erfolgreich gewesen wären: Sie verpassen das Boot. Weil die Unternehmen sehr schlecht darin sind, mit diesem Risiko umzugehen, ist das die viel größere Gefahr.
Wir finden: Das Space10 von IKEA ist eine vorbildliche Maßnahme, um das Boot nicht nur zu erwischen, sondern um dem Feld eine Buglänge voraus zu sein.