Uwe Lübbermann

Interview mit Uwe Lübbermann

Uwe Lübbermann

Weil er von Afri-Cola irgendwann nur noch enttäuscht war, gründete Uwe Lübbermann die Getränkemarke Premium-Cola. Und die ist alles, außer gewöhnlich. Premium-Cola wird von einem Internet-Kollektiv nach dem Prinzip der Konsensdemokratie gesteuert. Deshalb gelten nur die Geschäftsbedingungen, die die Gemeinde bestimmt. Dazu gehören etwa Anti-Mengenrabatte, feste Umsatzanteile in die Alkoholismusvorsorge und ein freies Premium-Betriebssystem. Die Idee: Der Welt zu zeigen, dass Kapitalismus auch ohne Profitmaximierung und aggressives Marketing funktionieren kann. Wir haben uns mit Uwe Lübbermann in Berlin getroffen.

Hallo Uwe, schön Dich hier in Berlin zu treffen! Welche Idee steht eigentlich hinter Premium-Cola?

Uwe Lübbermann: Wir wollen zeigen, dass Moral und Wirtschaft sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern zusammen funktionieren können. Und nach achteinhalb Jahren Premium-Cola haben wir diesen Beweis auch erbracht.

Kann man sagen, dass Euer eigentliches Produkt keine Cola ist, sondern eine Idee?

Uwe Lübbermann: Absolut. Hinter unserem Produkt steht eine Organisationsleistung, die wir für alle Stakeholder erbringen, die dadurch ihre Anliegen fair, sozial und ökologisch korrekt aufgegriffen wissen. Und je besser wir das machen, desto stabiler ist das ganze System und desto größer werden unser Einfluss und unsere Chance, Dinge verändern zu können. Eigentlich ist das unser Hauptgeschäftsfeld.

Wie wird man denn Stakeholder bei Premium-Cola?

Uwe Lübbermann: Ziemlich easy. Zunächst einmal sind die uns wirtschaftlich verbundenen Partner wie Lieferanten, Händler und Gastronomen unsere Stakeholder. Aber auch jeder, der mal eine Flasche Premium-Cola getrunken hat, kann auf Wunsch alle Informationen bekommen und mitreden. Und schon ist er Stakeholder oder auch Kollektivist, wie wir uns nennen. Es gibt nur eine klitzekleine Hürde: Du musst einen vorhandenen Kollektivisten persönlich kennengelernt haben und von ihm für okay befunden werden. Dann kannst Du mitreden und mitmachen.

Das Wort, das bei Euch auf der Website am häufigsten vorkommt, scheint ‚korrekt’ zu sein. Was ist denn eigentlich korrekt?

Uwe Lübbermann: Korrekt ist das neutralste Wort, das wir finden konnten, um unsere Idee von einer fairen Arbeitsweise darzustellen. Also nach bestem Wissen und Gewissen die Interessen aller Stakeholder einzubeziehen und eine konsensfähige Lösung zu finden.

Und was ist dann ‚nicht korrekt’?

Uwe Lübbermann: Nicht korrekt ist zum Beispiel ein Flaschensortierer, der bei Wind und Wetter draußen Leergut rumschieben muss und dafür umgerechnet 1,70 Euro Stundenlohn bekommt. Als wir das mitbekommen haben, haben wir dem Flaschensortierer einen Ausgleich gezahlt und den verantwortlichen Großhändler gebeten, die Bedingungen umgehend zu korrigieren. Als er das nicht gemacht hat, haben wir uns von ihm getrennt. Und er war zum damaligen Zeitpunkt unser wichtigster Großhändler.

Ihr habt ein selbstauferlegtes Transparenzgebot. Was hat es damit auf sich?

Uwe Lübbermann: Dahinter steckt die Idee, dass alle Stakeholder mitentscheiden können. Also muss ich auch dafür sorgen, dass sie alle nur denkbaren Informationen haben. Ausnahmen gibt es nur, wenn das Schutzinteresse des einzelnen Beteiligten überwiegt.

Wie sieht es mit Transparenz gegenüber Euren Kunden aus?

Uwe Lübbermann: Mehr Transparenz geht nicht. Jeder Kunde kann Stakeholder werden und hat damit Zugang zu allen Informationen und auch ein Mitspracherecht. Ich finde das auch gar nicht so weltbewegend: In dem Moment, in dem Du einen Schluck aus der Flasche trinkst, bist Du unser Kunde, finanzierst Du das Ganze. Warum solltest Du dann in der Konsequenz nicht das Recht haben, alles zu wissen?

Könnte man sagen, dass Ihr eine Firma von Fans für Fans seid?

Uwe Lübbermann: Das Wort Fan ist natürlich ein bisschen irreführend, aber ja, das könnte man sagen. Wir waren selbst eine Bande beleidigter Endkunden, die sich dann entschlossen hat, die Dinge selbst anzupacken. Und diese Endkundenperspektive ist heute immer noch da.

Das heißt, wenn Afri-Cola Euch zugehört hätte, gäbe es Premium gar nicht?

Uwe Lübbermann: Ja genau. Die haben das nicht kapiert. Die haben die Einmischung von Kunden als Krise missverstanden. Alles, was wir wollten war, dass sie die Änderung am Rezept transparent machen. Hätten sie das gemacht, gäbe es uns nicht. Der Punkt war ja, dass die Änderung heimlich und an den Kunden vorbei geschehen ist. Und das hat mich gefuchst: Als Kunde nicht ernst genommen zu werden.

Wie geht’s weiter? Da ist wahrscheinlich noch mehr Platz für Korrektes – außer Cola und Bier?

Uwe Lübbermann: Ja, wir haben schon länger einen Kaffee in Planung. In Kombination mit einem Abo, bei dem ich einmal die Woche die richtige Menge von gutem Kaffee in meinem Briefkasten vorfinde.

Was sind Deine persönlichen Pläne?

Uwe Lübbermann: Naja, momentan werde ich überwiegend dafür bezahlt, die täglich anfallende Arbeit zu erledigen. Da sind dann auch langweilige Sachen dabei wie Rechnungen kontrollieren, Überweisungen machen, etc. Aber eigentlich werde ich dafür bezahlt, gemeinsam mit unseren Stakeholdern reinzureden und die Welt ein kleines Stück zu verbessern. Und so zu arbeiten ist total geil. Eigentlich will ich in fünf Jahren nur noch das machen. Weil ich auch hoffe, dass die Zeit reift und dass Druck im Markt entstanden ist. Nicht nur von uns, sondern auch von anderen korrekt arbeitenden Herstellern.

Hast Du ein Motto, das Dich und Deine Lebenseinstellung beschreibt?

Uwe Lübbermann: Ein Wort trifft es ideal: bestmöglich. Ich will meine Chancen und Möglichkeiten bestmöglich nutzen und immer noch einen weiteren Verbesserungsschritt machen. Da draußen gibt es nämlich zwei Wettbewerbe: Den einen über Produkt, Geschmack und Preis und den anderen über Moral.

Danke für das Gespräch Uwe und alles Gute für die Zukunft!

Dieses Gespräch wurde 2010 geführt. Im August 2017 haben wir Uwe Lübbermann nach dem aktuellen Stand der Dinge befragt.

 

Wie geht es Premium eigentlich jetzt, sieben Jahre nach unserem ersten Gespräch? Was hat sich geändert? Was ist gleichgeblieben?

Uwe Lübbermann: Sieben Jahre in einer Antwort zusammenzufassen, das wird nicht leicht… Ich versuche es einmal: Wir sind immer noch da, machen aus BWL-Sicht immer noch fast alles falsch, haben immer noch keine schriftlichen Verträge mit den gewerblichen Partnern und hatten immer noch keinen einzigen Rechtsstreit. Der Kurs des Unternehmens ist also praktisch unverändert, aber wir haben es und uns natürlich weiterentwickelt. Einige Beispiele: Wir bremsen unser Wachstum bei rund zehn Prozent pro Jahr (war vor sieben Jahren noch nicht nötig), organisieren stressfreie Getränkelogistik für Festivals als eine Art Service und beraten kostenlos andere Gründer im Getränkebereich.

Bei uns dreht sich alles rund um die Grundidee, dass Menschen auch in der Wirtschaft möglichst gleichwertig behandelt werden sollten und es für alle stressfreier und effizienter wird, je konsequenter diese Umsetzung geschieht. Leider sind wir nach wie vor die Einzigen, die das radikal mit allen beteiligten Partnern tun, also auch mit allen vermeintlich externen Lieferanten und Kunden. Dabei ist das ganz leicht, es weiß nur kaum jemand.

Du hast mir etwas von „sieben Löhnen“ erzählt. Was hat es damit auf sich?

Uwe Lübbermann: Wir sehen mittlerweile sieben Löhne für die Mitwirkenden:
1. Geld. Hier zahlen wir Einheitslöhne für alle. Zuschläge gibt es nur für Eltern, Menschen mit Behinderung und Menschen, die einen Arbeitsplatz brauchen.
2. Sicherheit des Einkommens durch viele Partner, die alle freiwillig dabei sind.
3. Sinn der Tätigkeit. Wir glauben, es ist “Kümmern um Menschen” und wenn das gut gelingt, kommen dabei Getränke heraus.
4. Freiheit zu arbeiten, wann jemand mag, was jemand mag, wo jemand mag und so weiter.
5. Reichweite für die eigenen Ideen und Gedanken. Wir haben über 600 Veranstaltungen an Hochschulen und auf Kongressen hinter uns.
6. Weiterentwicklung oder Bildung. Weil jeden Tag etwas Neues da ist – für diejenigen, die das wollen. Und nicht zuletzt
7. Dafür weiß ich noch kein gutes Wort: Es ist so etwas wie “wholeness”. In sich selbst klar sein, nur eine Person sein können, die sich bei der Arbeit nicht verstellen muss, sondern als ganzer Mensch gesehen, respektiert und angenommen wird.

In der Summe ist das ziemlich cool, finde ich, und zeigt auch, dass Geld nicht die Lösung ist, um glücklich zu werden. Geld ist wichtig, wenn zuwenig davon da ist, aber wenn alle Beteiligten ausreichend verdienen, werden andere Faktoren wichtiger.

Du bietest Deine Erfahrungen mittlerweile auch anderen Organisationen an. Kannst Du uns etwas mehr darüber erzählen?

Uwe Lübbermann: Angefangen habe ich damit vor fünf Jahren, um es auch anderen Unternehmen zu ermöglichen, sich demokratischer, nachhaltiger und stabiler entwickeln zu können. Das wollen viele, aber die meisten haben auch Angst davor und oder wissen nicht wie. Daher versuche ich, zu helfen. Zuerst alles kostenlos, um eine Referenzenliste aufzubauen, seit Oktober 2016 auch bezahlt. Ich frage immer die Kunden, was aus deren Sicht fair und leistbar scheint, und sage zur Antwort „ja“, egal wie sie lautet.

Der erste große Kunde war ein echter Knaller: Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate. Ihr habe ich geholfen, ein staatliches Forschungsinstitut besser aufzustellen, so dass weniger Mitarbeitende abwandern. Diese dürfen nämlich nun machen, was sie wollen, wann sie wollen, wie sie wollen und so weiter. Der Trick war, dass die formale Machtstruktur zwar in Kraft bleibt, aber als Ziel klar formuliert ist, diese möglichst selten zu benutzen. So blieben die Ängste bei allen Beteiligten im Rahmen. Die Organisation bleibt schnell handlungsfähig wenn ein Scheich anruft und etwas möchte, kann sich aber zugleich deutlich besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einstellen. Diese bleiben deshalb deutlich öfter und länger im Institut. Ganz einfach eigentlich.

Andere Berater kommen anscheinend oft mit einem fertigen Konzept und wenden es an, egal, wie das Problem lautet. Ich komme und habe erst einmal keine Ahnung, dann finden wir gemeinsam heraus, was gehen könnte. Das läuft prima. Es gibt sogar Kunden, die warten müssen. Als nächstes habe ich vor, eine faire Hausverwaltung zu gründen, die sich wirklich um einen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten kümmert. Das scheint es nämlich auch noch nicht zu geben. Langweilig wird mir jedenfalls nicht. Lass uns in sieben Jahren noch einmal reden was bis dahin geschehen ist.

Das machen wir auf jeden Fall, Uwe. Danke für die Fortsetzung unseres Gesprächs und alles Gute!

__
Die Homepage von Uwe Lübbermann
Die Homepage von Premium Cola

Alle Blogbeiträge »

Werde Teil der Community mit >100.000 Menschen:
Backstage-Report Newsletter | Instagram | YouTube | Linkedin Anja | Linkedin Peter