Carmen Herrera malt seit Kindestagen. Sie wurde 1915 auf Kuba geboren, lebt aber fast ihr ganzes Leben in New York, der lebendigsten Kunstmetropole der Welt. Sie malt viel, und sie malt gut, bis ins hohe Alter. Aber all die Jahrzehnte nahm nie irgendjemand von ihr oder ihren Bildern Kenntnis. Kann man so jemanden als Künstlerin bezeichnen? Oder ist sie eher eine Hobbymalerin?
Vergleichen wir das mal …
Mit 89 Jahren verkaufte sie ihr erstes Bild! Ist das nun ein Erfolg? Na ja, mit 89 Jahren das erste Bild zu verkaufen ist so ähnlich wie nach zwölf Jahren in der Firma die erste Gehaltserhöhung zu bekommen, nach vier Jahren Newsletter schreiben 180 Abonnenten gewonnen zu haben, nach zehn Jahren Schauspielerei das erste bezahlte Engagement zu erhalten, im zehnten Marathon zum ersten Mal eine Zeit unter sechs Stunden zu schaffen.
Also: Sind das Erfolge oder Misserfolge?
Es kommt darauf an, mit wem oder was du es vergleichst. Tatsache ist, dass immer irgendjemand schneller, höher, weiter, berühmter, erfolgreicher, beliebter ist als du. Irgendwer verdient immer mehr Geld, hat mehr Freunde, ein größeres Haus oder mehr Follower auf Facebook, Twitter oder Instagram. Egal, was du auch misst und was du auch vergleichst: Irgendjemand hat immer mehr.
Aber wenn das so ist: Was ist dann der tiefere Sinn des Vergleichens? Bloß weil man etwas messen oder in eine vergleichende Beziehung setzen kann, heißt das weder, dass es wichtig ist, noch dass es irgendeine Relevanz für uns haben muss.
Vergleichen? Ja! Aber richtig …
Viel wichtiger finden wir, uns darüber klar zu werden, was uns wichtig ist, was wir verändern möchten oder was wir erreichen möchten – und dann alle Vergleiche zu IGNORIEREN, die damit NICHT im Zusammenhang stehen!
Der einzig wichtige Vergleich ist das, was wir tun, mit dem zu vergleichen, wozu wir fähig sind.
Wir wollen also nicht empfehlen, alles Vergleichen sein zu lassen. Das ist Quatsch! Nein: Bitte vergleiche! Aber vergleiche eben nur die Dinge, die dich auf dem Weg zu deinem Ziel unterstützen. Alles andere ist sinnloser, ablenkender Lärm.
Übrigens:
Carmen Herrera wurde im Alter von 94 Jahren von Kunstkritikern als „die Entdeckung des Jahrzehnts“ gefeiert und von der New York Times als „the hot new thing in painting“ bezeichnet. Ihre Bilder hängen heute im MoMA in New York und in der Tate Modern in London. Am 31. Mai 2020 wurde Carmen Herrera 105 Jahre alt. In einem Interview sagte sie neulich: „Life is wonderful and funny.“