
Vortrag beim Markencamp: das Gegenteil eines Roboters werden…
Ich bin großer Fan von Ella Fitzgerald. In ihrer Karriere gab es einen Moment, der sehr aufschlussreich ist: Als sie 1960 ein Konzert in Berlin gab, das für ein Live-Album aufgenommen wurde, sang sie „Mack the Knife“ aus der Dreigroschenoper.
Plötzlich in der 6. Strophe war der Text weg!
Live!
Vor Publikum!
Mitten in der Aufnahme!
Ella sagte NICHT: „Wie peinlich, ich habe den Text vergessen. Das darf nicht auf die Aufnahme“, sondern sie improvisierte und sang, dass ihr der Text entfallen sei, dass sie aber denselben Song sang, den schon Bobby Darin und Louis Armstrong gesungen hatten. Sie gab alles. Das Publikum belohnte es mit Standing Ovations und ihre Meisterleistung wurde mit zwei Grammys ausgezeichnet.
Was bedeutet das für uns?
Improvisieren hat ein schlechtes Image, es klingt wie nicht vorbereitet. Gerade wir Deutschen sind ja dressiert, alles sauber zu planen. Aber die Bedingungen werden immer unberechenbarer wie man an der aktuellen Corona-Krise sieht.
Und das bedeutet: Wir brauchen Improvisationstalent! Denn wenn wir die Überraschungen nicht wegplanieren können, dann können wir sie wenigstens geschickt nutzen.
Bei meinem Vortrag beim diesjährigen Markencamp habe ich genau darüber gesprochen: Im Fabrikzeitalter war kein Platz für Improvisation. Aber heute brauchen wir diese menschliche Grundfähigkeit immer mehr. Menschen sind von Natur aus Improvisationstalente, die flexible, individuelle Reaktion ist eine der größten Stärken des Homo Sapiens. Wenn wir es zulassen.
Wir haben die Wahl, ob wir in unserer täglichen Arbeit lieber versuchen zu funktionieren wie geplant, oder ob wir unsere Kreativität freisetzen – und damit das Gegenteil eines Roboters werden: Nämlich ein Mensch wie Ella in Berlin.