
Wie zukunftsorientiert sind wir wirklich? Mythos versus Realität
„Wir sind zukunftsorientiert, agil und digital“ – „Zukunft wird aus Ideen gemacht.“ – „Der Wechsel allein ist das Beständige.“ – „Innovate or die.“ – Solche Sprüche hört ihr jeden Tag. Bla bla bla.
Dass es heute für jedes Feld-Wald-und-Wiesen-Unternehmen nicht nur darum geht, das Tagesgeschäft am Laufen zu halten, sondern auch darum, die Zukunft zu gestalten, weil diese sonst futsch ist … dass Innovation überlebenswichtig ist, weil sonst so gut wie jedes Unternehmen in jeder Branche früher oder später links und rechts überholt wird, das dürfte mittlerweile jedem klar sein.
Deswegen läuft das ja auch vielerorts so: Das Management krempelt die Ärmel hoch, nimmt Geld in die Hand, holt sich Berater ins Haus, startet Zukunftsprojekte, reist ins Silicon Valley, entwickelt Digitalstrategien, investiert in Start-ups und so weiter.
Dann klopft man sich auf die eigene Schulter: „Wir sind doch super unterwegs, top digital aufgestellt, machen vieles neu!“
Oberflächlich gesehen stimmt das auch. Keine Frage. Aber unter die Oberfläche geschaut … puh!
Wirklich zukunftsorientiert – oder nur müder Wortquark?
Die eigene Wandlungsfähigkeit wird häufig doch überschätzt. Die Realität zeigt einen ausgeprägten Hang zum Festhalten am Althergebrachten. Zum Beispiel an einem traditionell hierarchischen Führungsverständnis, an einem übervorsichtigen Umgang mit Experimenten und den damit verbundenen Risiken, an fortgesetzten Belohnungs- und Beförderungsmechanismen, die überproportional auf Erfüllergeist statt Innovator-Spirit setzen … und vieles mehr.
Unternehmen gründlich und nachhaltig zu verändern, dazu braucht es mutige Arbeit an der Zukunftsfähigkeit der Organisation. Das Problem dabei: Viele Führungskräfte lassen sich vom Tagesgeschäft treiben (oder werden von selbigem getrieben) und nehmen sich zu wenig Zeit, den Mitarbeitern zu erklären, wohin sie das Unternehmen eigentlich steuern wollen. Es fehlt an Veränderern und einer gelebten Innovationskultur.
Status-quo fixiert oder zukunftsorientiert?
Wie ist das bei euch?
Für die Standortbestimmung hinsichtlich der Zukunftsorientierung eures Unternehmens oder eures Verantwortungsbereichs können die folgenden Fragen helfen. Leichter fällt die Übung übrigens, wenn ihr sie nicht alleine, sondern mit Kollegen durchführt.
Die beiden Endpunkte “Status-quo fixiert” und “zukunftsorientiert” sind die zwei Dimensionen zur Einordnung. In der realen Welt liegen die meisten Organisationen irgendwo zwischen den beiden polaren Enden. Die Frage ist nur: in welche Richtung schlägt das Pendel bei euch aus?
Los geht’s!
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1. Wie gehen wir intern mit Risiken und Ungewissheiten um?
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STATUS-QUO FIXIERT
Risiken und Ungewissheit sollen durch einen starken Fokus auf detaillierte Planung, Umsetzung und Kontrolle minimiert werden. Es gibt wenige und wohlkalkulierte Einsätze auf Gewinnerprojekte.
ZUKUNFTSORIENTIERT
Risiko und Ungewissheit werden als Teil des Spiels akzeptiert. Experimentieren, Lernen und Anpassen sind gelebte Kultur. Es werden permanent kleine Wetteinsätze gestartet, um so die Gewinner herausfinden.
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2. Wie ist unsere Einstellung zu Fehlschlägen?
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STATUS-QUO FIXIERT
Fehlschläge bei Experimenten werden mit „Scheitern“ gleichgesetzt. „Scheitern“ ist inakzeptabel und hat negative Konsequenzen für diejenigen, die es verursacht haben. Die Logik: Wer sorgfältig plant und vernünftig umsetzt, kann derartige Flops vermeiden.
ZUKUNFTSORIENTIERT
Fehlschläge sind ein unvermeidliches Nebenprodukt der Zukunftsoffenheit. Deshalb werden sie ausdrücklich begrüßt und es geht darum, schnell daraus zu lernen und die Kosten des Fehlschlags zu reduzieren, indem viele kleine Einsätze vorgenommen werden.
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3. Wie sind unsere Belohnungs- und Beförderungssysteme gestaltet?
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STATUS -QUO FIXIERT
Belohnt und befördert werden die Mitarbeiter, die sich an die Planvorgaben halten, diese umsetzen und im Zeit- und Budgetrahmen bleiben.
ZUKUNFTSORIENTIERT
Belohnt und mit mehr Verantwortung ausgestattet werden diejenigen, die etwas ausprobieren, lernen, ihr Wissen über das Gelernte teilen und so dazu beitragen, das Risiko neuer Ideen besser zu handhaben.
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4. Welche Eigenschaften werden bei Mitarbeitern geschätzt?
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STATUS-QUO FIXIERT
Es werden Mitarbeiter geschätzt, die sich durch Genauigkeit auszeichnen und die Fähigkeit zu planen, umzusetzen und zuverlässig zu liefern.
ZUKUNFTSORIENTIERT
Es werden Mitarbeiter geschätzt, die die Fähigkeit besitzen, mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeiten zurechtzukommen, schnell vorwärtszugehen, aus Fehlern schnell zu lernen und neue Ideen zu testen.
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Gegenwarts- und zukunftsorientiert!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, dass das eine besser ist als das andere. Eine Organisation braucht beides! Einerseits müssen die Räder laufen und Bewährtes auf effiziente Weise genutzt werden (= gegenwartsorientiert). Andererseits gilt es, Neues zu wagen, Zukunftsprojekte voranzutreiben und über die Innovationen das Unternehmen zukunftsfähig machen (= zukunftsorientiert).
Das Grunddilemma: Das Balancieren zwischen diesen beiden Polen wird nicht als angewandte Zukunftsorientierung wertgeschätzt. Ganz im Gegenteil! Je heftiger die Veränderung vorangetrieben wird, desto größer wird die Zahl derjenigen, die sie unbedingt aufhalten wollen.
Das ist so.
Wer in die Zukunft investiert, bewirkt eine unbequeme Veränderung oder sogar Störung des bestehenden Systems und des Verhaltens der Leute, die es tragen.
Das Neue sollte Normalität sein
Lasst euch davon nicht beirren! Wer keinen Widerstand erzeugt, macht seinen Job als Zukunftssicherer nicht richtig.
Gleichzeitig bedarf es aber auch einer neuen Innovationskultur. Eine Kultur, in der nicht nur einige Veränderer vorangehen und dabei immer wieder gegen diejenigen anzukämpfen haben, die sich gegen die bösen Attacken der Erneuerung zur Wehr setzen.
Der erste Schritt, um diese überfällige Veränderung in Sachen Innovationskultur voranzutreiben, wäre, bei einem Paradoxon zu beginnen, das uns immer wieder begegnet: Es ist geradezu absurd, dass in vielen Organisationen diejenigen, die etwas ändern wollen, unter Rechtfertigungsdruck stehen. Das Altbewährte ist dort die Normalität, das Neue ist die lästige Störung des „Normalbetriebs“.
Wir sind keineswegs der Meinung, dass das Altbewährte einfach so abgeschafft werden sollte. Das wäre lediglich dumm. Wofür wir plädieren, ist eine Umkehrung der Priorisierung:
Je turbulenter die Zeiten sind, desto mehr sollte das Neue die Normalität sein und der Status quo rechenschaftspflichtig!
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